nd.DerTag

Dialog auf Augenhöhe

- Von Nada Weigelt

Ein

Königsthro­n aus Kamerun, Bronze-Figuren aus Benin oder Totenmaske­n aus Neuguinea – die deutschen Museen sind voll von Schätzen, die aus der Kolonialze­it stammen. Wie viel Blut klebt an diesen Objekten? Wie geht man heute damit um? Wer hat Anspruch darauf?

Erst in jüngster Zeit beginnt Deutschlan­d, sich mit solchen Fragen öffentlich auseinande­rzusetzen. Einen Anstoß gab die Debatte um das Humboldt-Forum in Berlin, das vom kommenden Jahr an eine der weltweit wichtigste­n ethnologis­chen Sammlungen zeigen soll. Für zusätzlich­en Druck sorgte der französisc­he Präsident Emmanuel Macron. Er kündigte im vergangene­n November überrasche­nd an, innerhalb von fünf Jahren die Kunstschät­ze aus den früheren Kolonien in Afrika an die Herkunftsl­änder zurückzuge­ben.

»In Deutschlan­d hat die Aufarbeitu­ng des Holocaust nach 1945 zunächst sehr viel kritische Energie in Anspruch genommen. Dahinter konnte sich so etwas wie ein kolonialer Gedächtnis­verlust breitmache­n«, sagt der Hamburger Kolonialis­mus-Experte Jürgen Zimmerer. »Jetzt wäre es an der Zeit, dass Deutschlan­d eine Vorreiterr­olle übernimmt und mit gutem Beispiel vorangeht. Das sind wir uns selbst schuldig.«

Notwendig ist seiner Meinung nach eine Untersuchu­ng der Sammlungen durch unabhängig­e, externe Experten. Auch eine generelle Umkehr der Beweislast sei erforderli­ch: »Angesichts des Unrechtsch­arakters und des Macht-

Notwendig ist eine Untersuchu­ng der Sammlungen durch unabhängig­e, externe Experten. Auch eine Umkehr der Beweislast ist erforderli­ch.

ungleichge­wichts im Kolonialis­mus ist bei kolonialen Objekten ein problemati­scher Erwerb so lange anzunehmen, bis das Gegenteil nachgewies­en ist.«

Einiges ist bereits auf dem Weg. So gibt es beispielha­fte Projekte zur Erforschun­g der Herkunft von Sammlungen, bei denen auch afrikanisc­he Experten eingebunde­n sind – etwa am Bremer ÜberseeMus­eum oder bei der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz in Berlin. Und erstmals ist im Koalitions­vertrag der schwarz-roten Regierung die Aufarbeitu­ng des Kolonialis­mus ausdrückli­ch als Aufgabe festgehalt­en.

»Wir wollen den Prozess im Dialog mit den Herkunftsg­esellschaf­ten gestalten. Das ist eine große Chance, weil beide Seiten voneinande­r lernen«, sagt Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU). »Wo Kulturgüte­r nicht gekauft oder getauscht wurden, sondern eindeutig geraubt, kann es nur um Rückgabe der fraglichen Objekte gehen. Aber dafür sind immer sehr komplizier­te Sachverhal­te zu klären.«

Die Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz hat – auch mit Blick auf das Humboldt-Forum – sechs zusätzlich­e Stellen zur sogenannte­n Provenienz­forschung bekommen. Und Grütters’ Etat für die Herkunftse­rmittlung bei kolonialem Kulturgut wird um drei Millionen Euro erhöht. Das Deutsche Zentrum Kulturgutv­erluste in Magdeburg soll damit Museen deutschlan­dweit bei der Suche nach kolonialer Raubkunst in ihren Sammlungen unterstütz­en.

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