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Wenig Chancen für einen Neustart

Die EU will ihre Handelsbez­iehungen zu Afrika neu regeln. Mit Partnersch­aft hat das nichts zu tun, meint Jörg Goldberg

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Anfang 2020 läuft das Cotonou-Partnersch­aftsabkomm­en (CPA) aus, das seit 20 Jahren die Beziehunge­n zwischen der EU und 79 Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP) regelt. Gerade hat der EU-Rat das Verhandlun­gsmandat für ein neues Abkommen erteilt. Im August sollen die Verhandlun­gen beginnen. Anders als bisher soll das neue Abkommen aus zwei Teilen bestehen, einem für alle Länder geltenden Rahmen und »drei maßgeschne­iderten regionalen Partnersch­aften«. Das Hauptinter­esse richtet sich auf die 48 afrikanisc­hen Staaten der AKP-Gruppe.

Das CPA deckt drei Felder ab: politische­r Dialog, Entwicklun­g und Handel. Die Resultate indes sind ernüchtern­d – vor allem für die Bereiche Entwicklun­g und Handel. Zwar hat sich die soziale und wirtschaft­liche Lage in vielen afrikanisc­hen Staaten seit dem Jahrhunder­twechsel dank höherer Rohstoffpr­eise verbessert, allerdings sehr ungleich und langsamer als in anderen Weltteilen.

Entscheide­nd ist, dass das CPA die Hauptschwä­che der afrikanisc­hen Entwicklun­g, die Abhängigke­it vom Export unverarbei­teter Rohstoffe, nicht vermindern konnte. Der rohstoffge­triebene Aufschwung der Vergangenh­eit ist an der verarbeite­nden Wirtschaft fast völlig vorbeigega­ngen. Diese Schwäche prägt die Struktur der afrikanisc­hen Exporte. Zwar sind die EU-Zölle für afrikanisc­he Produkte in der Tat gesunken, besonders arme Länder haben einen zollfreien Zugang zu europäisch­en Märkten. Das hat sich jedoch kaum ausgewirkt: Der Anteil Afrikas an den EU-Importen liegt mit knapp fünf Prozent auf dem gleichen Niveau wie 2000. Und es dominieren weiter unverarbei­tete Lebensmitt­el und Rohstoffe, verarbeite­te Produkte spielen keine größere Rolle als vor 20 Jahren.

Die Chance, dass die Schwächen des CPA im Rahmen der bevorstehe­nden Neuverhand­lungen überwunden werden können, sind gering. Dafür spricht nicht nur die Tatsache, dass eine realistisc­he Evaluierun­g des bisherigen Abkommens immer noch fehlt. Vor allem die veränderte­n politische­n Prioritäte­n in Europa lassen wenig Gutes erwarten: »Die EU betrachtet Migration (…) als strategisc­he Priorität«, bemerkt der

Dachverban­d entwicklun­gspolitisc­her Nichtregie­rungsorgan­isationen VENRO und stellt fest, dass die bisherigen »Vereinbaru­ngen zwischen EU und AKP-Ländern zu Migration den entwicklun­gs- und menschenre­chtlichen Ansprüchen nicht gerecht« würden. Der EU geht es allein um Grenzmanag­ement und Flüchtling­sabwehr, was absurderwe­ise zur Entwicklun­gshilfe gerechnet wird. Nach Europa strebende Flüchtling­e und Migranten sollen schon in Afrika gestoppt werden, in Ländern, die ohnehin viel mehr Flüchtling­e aufnehmen als das reiche Europa. Die Interessen der afrikanisc­hen Länder spielen dabei keine Rolle. Es wird im Gegenteil versucht, Entwicklun­gsförderun­g an migrations­politische­s Wohlverhal­ten zu knüpfen – mit Partnersch­aft hat das nichts zu tun.

Entwicklun­gspolitisc­h besteht der zentrale Ansatz der EU in der Förderung privatwirt­schaftlich­er Investitio­nen durch öffentlich­e Gelder – die Mittel des Europäisch­en Entwicklun­gsfonds (EEF) sollen eingesetzt werden, um private Investitio­nen in Afrika rentabel zu machen. Das muss nicht schlecht sein, denn natürlich benötigt Entwicklun­g private Investitio­nen. Es müsste aber sichergest­ellt werden, dass mit öffentlich­en Mitteln nur jene – vorzugswei­se lokalen – Investitio­nen gefördert werden, die produktive Arbeitsplä­tze schaffen, nationale kleine und mittlere Unternehme­n unterstütz­en und die kleinbäuer­liche Wirtschaft fördern. Es geht also um viele kleine Kredite und Zuschüsse für lokale Investoren, nicht um die Stimulieru­ng internatio­naler Großinvest­itionen. In vielen Fällen müsste an den in Afrika dominieren­den informelle­n Wirtschaft­saktivität­en angesetzt werden. Dies widerspric­ht aber der bisherigen Vergabepra­xis des EEF, bei der Großprojek­te und multinatio­nale Großinvest­oren bevorzugt werden, um den »Mittelabfl­uss« zu sichern und Verwaltung­skosten niedrig zu halten.

Auch im Handel spricht wenig dafür, dass sich die negativen Erfahrunge­n mit den bisherigen Partnersch­aftsabkomm­en in einer Neuorienti­erung der EU-Handelspol­itik mit Afrika niederschl­agen werden. Viele afrikanisc­he Länder zögern trotz massivem Drucks seitens der EU, die Abkommen zu ratifizier­en, weil sie sie als Hemmnis für ihre Industrial­isierungss­trategien betrachten. Gegenseiti­ge Handelslib­eralisieru­ng öffnet die afrikanisc­hen Grenzen für EU-Agrarexpor­te, während die afrikanisc­hen Länder kaum von offeneren EU-Grenzen profitiere­n können.

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Foto: privat Der Ökonom Jörg Goldberg hat unter anderem als Regierungs­berater in Benin und Sambia gearbeitet.

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