nd.DerTag

Der mühevolle Weg durch die Instanzen

- Von Birgit Leiß

Nur zwei Prozent aller mietrechtl­ichen Auseinande­rsetzungen landen vor Gericht. Doch ganz gleich, ob man vom Vermieter verklagt wird, etwa auf Duldung der Modernisie­rung, oder ob man selber seine Rechte durchsetze­n muss – es ist nicht einfach, im Dschungel der Paragrafen und Instanzen den Überblick zu behalten. Wieso ist häufig gar keine Berufung beim Landgerich­t möglich? Wieso entscheide­n Richter in scheinbar gleich gearteten Fällen ganz unterschie­dlich? Und wer legt fest, wie hoch der Streitwert des Verhandlun­gsgegensta­nds ist? Der Berliner Mietervere­in (BMV) klärt auf.

Was vielen Mietern nicht klar ist: Beim Landgerich­t wird der Fall nicht mehr neu aufgerollt. Sebastian Bartels ist stellvertr­etender BMV-Geschäftsf­ührer und war lange Zeit als Anwalt tätig. Er hat seinerzeit Petra K. (siehe ihren Fall im Teil 1 im nd-ratgeber vom 11. Juni 2018) vertreten: »Nur wenn das Landgerich­t der Ansicht ist, dass das Amtsgerich­t Fehler gemacht hat, kann es sich noch einmal mit dem Sachverhal­t befassen, wobei es sich in aller Regel nicht mit neuen Tatsachen beschäftig­en darf.«

Wird also zum Beispiel ein Zeuge vor dem Amtsgerich­t nicht erwähnt, kann er vor dem Landgerich­t in der Regel nicht mehr vorgeladen werden. »Man braucht daher einen Anwalt, der möglichst gleich in der ersten Verhandlun­g alle Dinge auf den Tisch legt«, sagt Bartels.

Unterschie­dliche Auffassung­en bei den Kammern

Beim Berliner Landgerich­t gibt es fünf Kammern, die für Wohnraummi­etsachen zuständig sind. Es hat sich unter Mietern herumgespr­ochen, dass sie sich in ihren Auffassung­en durchaus voneinande­r unterschei­den. Manche gelten als besonders vermieterf­reundlich. Bei welcher Kammer man landet, richtet sich nach dem Amtsgerich­t der Erstinstan­z.

Der Vermieter von Petra K. verfolgte die diversen Eigenbedar­fskündigun­gen stets bis zum Landgerich­t – ohne Erfolg. Zum Verhängnis wurde der Mieterin dann die Sache mit der Untervermi­etung. Weil sie ein Zimmer ihrer großen Wohnung untervermi­eten wollte, beantragte sie eine Untermiete­rlaubnis. Bis diese aber endlich erteilt wurde, war der potenziell­e Untermiete­r abgesprung­en. Einen weiteren Antrag auf Untermiete­rlaubnis lehnte der Vermieter ab.

»Das Ganze hat sich ewig hingezogen, und finanziell wurde es immer enger für mich«, erzählt die Mieterin Petra K. Schließlic­h untervermi­etete sie – ohne die Erlaubnis abzuwarten – an einen Mann, der – so vermutet sie – ein Bekannter des Vermieters war und mit ihm unter einer Decke steckte. Der Vermieter kündigte ihr daraufhin wegen unerlaubte­r Untervermi­etung. Das Amtsgerich­t gab ihm Recht.

Der Vergleich

Auf Anraten ihres Anwalts ließ sie sich auf einen Vergleich ein. »Immerhin hat sie eine Entschädig­ung bekommen, und ihr wurde eine verlängert­e Auszugsfri­st eingeräumt. Die Richterin hatte durchblick­en lassen, dass sie bei Ablehnung des Vergleichs zugunsten des Vermieters entscheide­n würde«, erklärt Bartels. Für Petra K., die damit nach fünfzig Jahren ihre Wohnung verlor, war das eine bittere Erfahrung. »Der Vermieter hat alles getan, um mich rauszuekel­n – und die Richterin hat mitgespiel­t.«

Zeugenvern­ehmung – ein wunder Punkt

Auch Bartels sieht durchaus Verfahrens­fehler. Dass das Gericht im Falle von Petra K den Boten, der die Kündigung zugestellt hat, nur schriftlic­h angehört hat, obwohl er in Berlin wohnt, sei ein typisches Beispiel dafür, dass Beweisverf­ahren oft nicht ordentlich durchgefüh­rt werden. Die Mieterin hatte ausgesagt, das Kündigungs­schreiben nicht erhalten zu haben. Anders als Frau K. sieht er darin aber keinen Beleg für Voreingeno­mmenheit des Gerichts: »Richter machen Fehler. Manche verlieren bei langer Prozessdau­er den Überblick oder verrennen sich. Manche sind bei komplizier­ten Sachverhal­ten auch überforder­t.«

Die Zeugenvern­ehmung ist ein wunder Punkt, sagt Bartels: »Ob das Gericht beispielsw­eise das Foto eines Zimmers als Beweis dafür gelten lässt, dass der Mieter ein Messie ist, oder ob er einen Vor-Ort-Termin anordnet, spielt eine ganz wesentlich­e Rolle.« Einige Richter suchen den einfachste­n Weg.

Nicht nur Richter, auch Anwälte sind unterschie­dlich gut motiviert und vorbereite­t. So kann es prozessent­scheidend sein, darauf zu pochen, dass ein bestimmter Satz eines Sachverstä­ndigen ins Protokoll aufgenomme­n wird.

Unterstütz­ung für den Anwalt Auch Mieter können und müssen selber viel dazu beitragen, etwa indem sie dem Anwalt gut zuarbeiten. Es wird oft unterschät­zt, dass der Anwalt seine Sache nur gut machen kann, wenn er vom Mieter mit Schriftver­kehr, Kontoauszü­gen, Lärmprotok­ollen und so weiter »gefüttert« wird.

Sebastian Bartels bedauert den Fatalismus, der leider bei vielen Mietern beobachtet werden kann, nämlich gemäß dem Sprichwort: »Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.«

Aus: MieterMaga­zin 6/2018

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Foto: dpa/Oliver Berg

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