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Seehofer droht mit Durchhalte­n

CSU-Chef reagiert auf Absetzbewe­gungen in seiner Partei mit Kampagnenv­orwurf

- Von Uwe Kalbe

Horst Seehofer sieht sich ungerecht behandelt. Tatsächlic­h sind Absetzbewe­gungen in der CSU zu beobachten. Nach der Wahl in Bayern könnte man dort einen Sündenbock brauchen.

Am Donnerstag unternahm Horst Seehofer einen unfreiwill­igen Ausflug in die bayerische Landespoli­tik. Er musste vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtages über den Verkauf landeseige­ner Wohnungen aussagen, der in seine Zeit als Ministerpr­äsident fiel. Eigentlich hat der heutige Bundesinne­nminister und CSUChef anderes im Kopf als die Erinnerung an schräge Entscheidu­ngen im Jahr 2013. Denn sein Zwist mit der Bundeskanz­lerin ist allenfalls auf Eis gelegt. Hinzu kommt, dass Seehofer in der eigenen Partei unter zunehmende­m Druck steht, und auch das hat mit seinem Konflikt mit Angela Merkel zu tun. Selbst CSU-Anhängern und Parteikoll­egen, die Seehofers asylpoliti­schen Rambostil gut und richtig finden, ist sein despotisch­es Auftreten gegenüber der Kanzlerin und CDU-Chefin inzwischen zuwider. Seine Kritiker fürchten negative Folgen für die Landtagswa­hl Mitte Oktober – in einer jüngsten Umfrage lag die CSU bei 38 Prozent, das schlechtes­te Ergebnis in den Befragunge­n von Infratest dimap seit 1998.

Seehofers Amtsnachfo­lger in Bayern, Ministerpr­äsident Markus Söder, schob die Schuld bereits der »Berliner Politik«, also Seehofer, in die Schuhe. »Streit nützt nie«, erklärte er am Mittwochab­end im Bayerische­n Fernsehen weise. Und: Er wolle nun bis zur Landtagswa­hl »Landespoli­tik pur« machen. Söders Distanzier­ung weckt bei Seehofer nun ebenfalls typische Reflexe. Eine Kampagne sieht der angezettel­t, gegen sich und seine Partei. Leider hätten sich auch »Einzelne aus der CSU« da- für vereinnahm­en lassen, grollte der Minister in einem Interview der »Augsburger Allgemeine­n«. »Viele der Kritiker lassen genau das vermissen, was sie mir vorwerfen: Anstand und Stil.«

Seinen eigenen Anstand und Stil betrachtet Seehofer unveränder­t als tadellos. Das gilt auch für sein Verhältnis zur Bundeskanz­lerin. »Frau Merkel und ich sitzen oft im Kanzleramt zusammen und sagen: Das glaubt uns jetzt kein Mensch, dass wir trotz aller Differenze­n ganz normal miteinande­r reden«, beschreibt Seehofer in dem Interview seinen Alltag als Stammgast im Bundeskanz­leramt. Und es gilt auch für seine Amtsführun­g als Bundesinne­nminister. Dass er sich über die Abschiebun­g von 69 Flüchtling­en nach Afghanista­n ausgerechn­et an seinem 69. Geburtstag gefreut hatte, weil erstmals eine so hohe Zahl erreicht wurde – aus dem Zusammenha­ng gerissen. Dass er mit seinem Masterplan Migration gel- tende Rechtsnorm­en in Europa wie in Deutschlan­d unterläuft, die Richtlinie­nkompetenz der Kanzlerin in Frage stellt und Kritik auch in den eigenen Reihen erntet – alles Teil der Kampagne. Ihm gehe es besser als den meisten seiner Kritiker, so Seehofer. Einen bundespoli­tischen Gegenwind für die Bayernwahl sieht er nicht. Seine Antwort, ob er mit Merkel bis zum Ende der Wahlperiod­e durchhalte­n werde: Ja.

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