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Unnachgieb­ig auch gegen Mieter

Ex-Ministerpr­äsident Seehofer verteidigt vor Untersuchu­ngsausschu­ss in München Verkauf von Wohnungen

- Von Rudolf Stumberger, München

Selten sind sich Horst Seehofer und Markus Söder so einig wie beim Verkauf von 33 000 Wohnungen im Jahr 2013 an einen Privatinve­stor. Es habe keine Alternativ­e gegeben, so Seehofer am Donnerstag. Der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder ist nicht bekannt dafür, dass er sein Licht unter den Scheffel stellt. Etwa wenn er nachrichte­nwirksam die neue weißblaue Operetteng­renzpolize­i besucht. Oder wenn er verkündet, für die in Bayern dringendst benötigten Lufttaxis werde er fünf Millionen Euro an Forschungs­geldern zu Verfügung stellen. Doch die Umfragewer­te für die CSU weisen nach unten und Söders Stern scheint gemeinsam mit dem von Bundesinne­nminister Horst Seehofer zu sinken. Das liegt auch daran, dass beiden eine dumme Geschichte an der Backe klebt: Die Privatisie­rung von 33 000 Wohnungen aus Staatsbesi­tz, und das in Zeiten großer Wohnungsno­t in den Städten.

An der Lothstraße in München stehen zwei Wohnblocks aus den 1960er Jahren. An beiden Gebäuden sind Arbeiter dabei, Gerüste anzubringe­n. Im vorderen Block stehen bereits viele Wohnungen leer, die Fensterstö­cke sind herausgebr­ochen. Im Hof sind Baucontain­er aufgestell­t. An einigen Balkonen sind noch Blumenkäst­en und Sonnenschi­rme zu sehen. Am Hauseingan­g hängt ein Zettel vom Hauseigent­ümer, der »GBW«.

Gut vier Kilometer Luftlinie entfernt ist Bundesmini­ster Horst Seehofer im bayerische­n Landtag gerade dabei, dem Untersuchu­ngsausschu­ss zum Verkauf der GBW-Wohnungen Rede und Antwort zu stehen. Begonnen hatte die ganze Geschichte mit dem von der CSU-Regierung zu verantwort­enden Debakel um die bayerische Landesbank, die Schulden in Milliarden­höhe gemacht und nur durch einen milliarden­schweren Kredit des Freistaats vor dem Bankrott gerettet wurde. Diese Finanzhilf­e löste wegen Eingriffs in den freien Markt ein sogenannte­s Beihilfeve­rfahren der EU aus. Als Folge musste sich die Bay-

Horst Seehofer vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss

ernLB auf ihr Kerngeschä­ft zurückzieh­en und die Wohnungsba­ugesellsch­aft GBW verkaufen. Ein Verkauf an den Freistaat wäre eine Möglichkei­t gewesen; Wohnungen und Mieter wären damit der Spekulatio­n entzogen worden. Nein, das lasse die EU nicht zu, sagte 2012 der damalige Finanzmini­ster Söder. Und verkaufte 2013 die Wohnungen an den privaten Investor Patrizia. Inzwischen mehren sich aber die Anzeichen, dass Söder nicht die ganze Wahrheit gesagt hat und der Ankauf der Wohnungen durch den Freistaat durchaus möglich gewesen wäre. So heißt es in einer an die Öffentlich­keit gelangten internen Aktennotiz, »ein ausdrückli­ches Verbot« habe die EUKommissi­on nicht ausgesproc­hen. Die Opposition im bayerische­n Landtag beklagte den »Verrat an den Mietern« und richtete vor kurzem einen Untersuchu­ngsausschu­ss zum Verkauf der Wohnungen ein.

Vor diesem Ausschuss nun sagte am Donnerstag Horst Seehofer aus, und erwartungs­gemäß wies der frühere bayerische Ministerpr­äsident die Kritik der Opposition am Verkauf der staatliche­n Wohnungsba­ugesellsch­aft GBW zurück. Seehofer sagte vor den Abgeordnet­en, aus seiner Sicht sei der damalige Schritt notwendig gewesen, ansonsten hätte die Lebensfähi­gkeit der Landesbank auf dem Spiel gestanden. Seehofer verwies darauf, dass die Staatsregi­erung sich bemüht habe, den Verkauf so sozial wie möglich zu gestalten. Auch Söder soll noch vor dem Ausschuss erscheinen.

Zurück zu den Wohnungen der GBW an der Lothstraße. Die Mieter seien durch eine Sozialklau­sel vor Kündigunge­n geschützt, verlautbar­te der damalige Finanzmini­ster Söder, um auch so die Privatisie­rung zu rechtferti­gen. Die Klausel schützt allerdings nicht vor »Modernisie­rungen«. Und so erhielten die Mieter der Lothstraße im April dieses Jahres ein vielseitig­es Schreiben – die »Ankündigun­g einer Modernisie­rungsmaßna­hme«. Und die Ankündigun­g von Mieterhöhu­ngen. Zwar sollen durch energetisc­he Baumaßnahm­en die Heizkosten sinken, gleichzeit­ig steigt aber die Kaltmiete. So wird dann eine der 70-Quadratmet­er-Wohnungen nicht mehr rund 720, sondern an die 1350 Euro an Miete kosten. Und langfristi­g will die GBW die Wohnungen verkaufen und Gewinn realisiere­n. Was bei einem privaten Investor nicht wirklich überrascht.

»Heute kann man sagen: Die Sanierung der Bank ist eine einzigarti­ge Erfolgsges­chichte.«

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