Logisch wäre, dass alle freikommen
Jaume Alonso-Cuevillas, Anwalt von Carles Puigdemont, über die Verfahren gegen katalanische Politiker
Wie stellt sich die Situation für Carles Puigdemont nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) in Schleswig dar?
Die deutschen Richter lassen eine Auslieferung nur wegen Veruntreuung zu. Wir haben Kenntnis davon, dass am spanischen Obersten Gerichtshof nun debattiert wird, ob man sie dafür akzeptiert. (Inzwischen hat der Oberste Gerichtshof den Haftbefehl zurückgezogen, d. Red.)
Wirkt sich der OLG-Beschluss auf die anderen politischen Gefangenen aus Katalonien, die in Spanien inhaftiert sind, aus?
Formal nicht. Wir befinden uns in Spanien aber in einer delikaten Situation. Mit dem Regierungswechsel (von Mariano Rajoy, rechte Volkspartei zu Pedro Sánchez sozialdemokratische PSOE, die Red) kam mit Maria José Segarra auch eine neue Generalstaatsanwältin zu einem Zeitpunkt, zu dem die Staatsanwaltschaft ihre Anschuldigungen formulieren muss. Es wäre ein guter Moment, die Rebellionsvorwürfe zurückzuziehen, da sie in Deutschland mit aller Klarheit abgelehnt wurden.
Gäbe es nicht eine groteske Situation, wenn Puigdemont als Chef nur wegen Veruntreuung angeklagt wird, aber seine Untergebenen für bis zu 30 Jahre wegen Rebellion inhaftiert würden? Das wäre widersinnig, aber die gesamte Anklage ist widersinnig. Der Generalstaatsanwalt José Manuel Maza hatte in der zweiten Oktoberhälfte 2017 nur eine Anklage wegen Ungehorsam und Veruntreuung formuliert. Er drohte, auf Rebellion auszuweiten, wenn die Unabhängigkeit erklärt wird, wie es dann geschah. Das bedeutet: Eine friedliche Erklärung der Unabhängigkeit in einem Parlament würde eine Rebellion darstellen. Was Veruntreuung angeht, möchte ich erinnern, dass der frühere spanische Finanzminister Cristóbal Montoro erklärte, dass kein Euro an Steuergeldern für die Durchführung des Referendums am 1. Oktober ausgegeben wurde und die Zentralregierung damals schon die Kontrolle über die Finanzen in Katalonien hatte. Es wäre nur logisch, wenn die neue Generalstaatsanwältin Segarra auch diese Anschuldigung zurückzieht.
Welche Schritte planen Sie in Deutschland? Werden Rechtsmittel gegen den OLG-Beschluss eingelegt?
Das hängt davon ab, was der Oberste Gerichtshof in Madrid tut. Der muss diese Woche entscheiden, ob er den Europäischen Haftbefehl beibehält oder zurückzieht. In Madrid weiß man, dass wir vor das Verfassungsgericht in Karlsruhe ziehen, wenn Spanien Puigdemont wegen Veruntreuung ausgeliefert haben will. Es gibt große Chancen, dass Karlsruhe in die Materie einsteigt, was Schleswig nicht getan hat. Wir können auf- zeigen, dass Spanien zwar auf dem Papier ein Rechtsstaat ist, es aber in der Praxis bei den katalanischen Angeschuldigten keinerlei rechtstaatlichen Garantien gab. Wir haben gute Argumente und werden die Verletzung von Grundrechten offen legen. Deshalb überlegt man am Obersten Gerichtshof auch, den Haftbefehl wegen Veruntreuung zurückzuziehen.
Sehen Sie Chancen, dass das Ministerium für Staatsanwaltschaft seine Meinung ändert und die Anklagen ganz oder teilweise zurückzieht?
Ja. Dafür gibt es zwei Gründe: Die Klarheit, mit der deutsche Richter die Anschuldigungen wegen Rebellion abgewiesen haben. Dazu kommt, dass Deutschland international auf Strafrechtsebene allgemein anerkannt ist. Es gibt auch deutliche Hinweise, dass die neue Generalstaatsanwältin nicht mit dem Vorgehen des Vorgängers einverstanden ist.
In Belgien läuft eine Klage gegen Untersuchungsrichter Pablo Llarena, der unter anderem gegen Puigdemont ermittelte. Welche Bedeutung hätte eine mögliche Verurteilung für die Verfahren in Spanien? In Belgien läuft ein zivilrechtliches Verfahren gegen Llarena, da er sich zu den Verfahren auf einer Veranstaltung öffentlich geäußert hat. Damit hat er gegen die Unschuldsvermutung unserer Mandanten versto- ßen, die in jedem Rechtsstaat gilt. Direkt hätte seine Verurteilung keine Auswirkung auf spanische Verfahren. Sollten belgische Richter ihn verurteilen, hätte das großen Einfluss auf die öffentliche Meinung und auf spätere Verfahren vor internationalen Gerichten, wenn wir vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.
Kürzlich haben Sie erklärt: »Demnächst werden positive Sachen passieren«. Können Sie etwas konkreter werden?
Es wird viele positive Vorgänge geben. Warten wir die Entscheidung zu Puigdemont ab. Die Verteidiger haben auch die Freilassung der neun politischen Gefangenen gefordert. Es wird einige Bewegungen geben.
Wäre es nicht logisch, dass alle freikommen, nachdem in Deutschland die Rebellion verworfen wurde? Logisch wäre es. Das gilt nicht nur für die Rebellion, sondern auch für die Untreue. Richter Llarena bezieht sich allein auf polizeiliche Annahmen, eine technisch-buchhalterische Studie des Finanzministeriums will er nicht mehr. Er hat keine Rechnung, mit der er Untreue beweisen könnte. Deshalb jongliert man damit herum, was es gekostet haben könnte, die Wahllokale zu mieten. Das sind öffentliche Einrichtungen, sie werden nicht angemietet, weshalb es auch keine Veruntreuung öffentlicher Gelder gab.