Volle Bereitschaft zum Arbeitskampf
In Indien haben die Streikaktionen zuletzt spürbar zugenommen – nun streiken die Spediteure unbefristet
Politisch sitzen Indiens Premier Narendra Modi und seine hindunationalistische BJP fest im Sattel. Allerdings regt sich immer mehr gewerkschaftlicher Widerstand gegen deren neoliberale Agenda. Ein vernehmliches Aufatmen gab es Ende Juni bei den rund 2,7 Millionen Pendlern, die in Delhi täglich die UBahn nutzen. Der High Court hatte dem geplanten Streik von 9000 Metro-Beschäftigten in der zweitgrößten indischen Metropole vorerst einen juristischen Riegel vorgeschoben. Der Arbeitskampf von Fahrern, Technikern, Kontrolleuren und Servicepersonal für höhere Gehälter ist damit aber nicht vom Tisch. Im September verhandelt das Oberste Unionsgericht erneut. Und die Beschäftigten sind durchaus einfallsreich in anderen Protestformen: An den zwei vorgesehenen Streiktagen trugen sie schwarze Armbänder, veranstalteten kurze Sitins, boykottierten die Mittagspausen.
Trotz des unterbundenen Ausstands – durch den Subkontinent schwappt eine wahre Welle von Streiks, die dem Normalbürger so manche Einschränkungen bescheren. Da sehr unterschiedliche Berufsgruppen gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Lohndumping aufbegehren, wächst auch die Einsicht, dass gerade hart arbeitende Berufs- tätige mit einem Vollzeitjob vom vollmundig propagierten wirtschaftlichen Aufschwung abgekoppelt sind.
Ende Mai sorgten rund eine Million Bankbeschäftigte, ansonsten nicht gerade für Streiks bekannt, dafür, dass 85 000 Filialen der Banken des öffentlichen Sektors zwei Tage lang geschlossen blieben. Vielerorts funktionierten auch die Geldautomaten nicht. Mit Ausnahme von Delhi und dem Bundesstaat Andhra Pradesh folgten 90 bis 95 Prozent der Beschäftigten dem Streikaufruf.
Die Gewerkschaften werteten dies als vollen Erfolg. Den Aufruf gestartet hatte die All India Bank Employee’s Association; acht weitere Gruppen schlossen sich an. Für Verärgerung sorgt, dass für 2018 ein Lohnanstieg um magere zwei Prozent beschlossen wurde (in der Vergangenheit waren 15 bis 17 Prozent durchaus üblich), was nicht einmal die Inflation ausgleicht. Nun sollte ein starkes Warnsignal für Nachverhandlungen mit Regierung und Bankvereinigungen gesetzt werden, die auf die schwierige Lage mit rund zwölf Prozent faulen Krediten hinwiesen.
Entgegenkommen signalisiert die Regierung indes den Mitarbeitern vornehmlich ländlicher Postfilialen, die gut zwei Wochen gestreikt hatten. Delhi sagte zu, sich mit den Reformvorschlägen einer Sonderkommission auseinanderzusetzen, die im Kern vorsehen, diese Beschäftigten regulä- ren Postbeamten gleichzustellen. Bislang sind nur 20 Prozent des Personals in den ländlichen Filialen offiziell Angestellte des Postdienstes mit vollen Bezügen und Privilegien. Die sogenannten Gramin Dak Sevaks werden wie Hilfskräfte bezahlt, obwohl ihre Aufgaben enorm sind und immer mehr werden. Die Zweigstellen in Kleinstädten sind nicht nur für den normalen Postverkehr zuständig, sondern auch für die Überweisung verschiedener staatlicher Sozialhilfeprogramme, Pensionen und vieles mehr.
Nicht ganz so machtvoll wie vor einem Jahr waren kürzlich Proteste von Bauern für Krediterlass, Mindestabnahmepreise und kostenlose Stromversorgung. Ein großer Dachverband mit 193 Mitgliedsgruppen beteiligte sich nicht, und der Regierungspartei BJP nahestehende Verbände sabotierten den Streik regelrecht. Zudem drohte der Staat mit dem Einsatz der Polizei – die Sorge vor gewaltsamen Konfrontationen hielt so manchen Bauern von weiterer Teilnahme ab. Ein starkes Signal des noch immer vor allem unter immensen Schulden leidenden Agrarsektors mit seinen Abermillionen Klein- und Kleinstbauern war es dennoch.
An den Verhandlungstisch zurückgekehrt sind derweil Gewerkschaften und Arbeitgeber bei den staatlichen Häfen. Auch dort sollte im Juni ein erster Warnstreik für eine Anhebung der seit 2016 nicht mehr gestiegenen Löhne der Dockarbeiter stattfinden. Quasi in letzter Minute stimmte die Spitze der staatlichen Indian Ports Association einer Art Vermittlungsverfahren zu.
Ein besonders harter Brocken für die Modi-Regierung ist der Konflikt mit den Transportunternehmen, in dem sich Firmeninhaber und ihre angestellten Trucker weitgehend einig sind. Das Hauptaugenmerk liegt auf den stetig steigenden Dieselpreisen, die nicht wenige Speditionen in den Ruin zu treiben drohen. Bereits vor einem Monat blieben rund 60 Prozent der Lastwagen im Depot oder am Straßenrand. Ab Freitag will die Dachorganisation All India Motor Transport Congress, den Protest unbefristet ausweiten: Neun Millionen Trucks drohen stillzustehen. Zudem werden Aufträge für Ferntransporte suspendiert. Das hat massive Auswirkungen, denn Lkw bilden das Rückgrat des indischen Gütertransports – von Lebensmitteln bis hin zu Material für die vielen Großbaustellen.
Ein besonders harter Brocken für die ModiRegierung ist der Konflikt mit den Transportunternehmen.