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Ministerin Golze unter Druck

Versäumnis­se im Medikament­en-Skandal / Gesundheit­sministeri­um räumt Fehler ein

- Von Bosse Kröger Mit dpa

Hinweise auf den Vertrieb gestohlene­r und gefälschte­r Medikament­e für Krebskrank­e wurden in Brandenbur­g von den Aufsichtsb­ehörden offenbar ignoriert.

Das Brandenbur­ger Gesundheit­sministeri­um hat Fehler und Versäumnis­se im Umgang mit dem in Blankenfel­de-Mahlow (Teltow-Fläming) ansässigen Pharmaunte­rnehmen Lunapharm eingeräumt, das möglicherw­eise gestohlene und gefälschte Krebsmedik­amente vertrieben hat. »Es ist nicht nachvollzi­ehbar, warum nicht früher gehandelt wurde«, erklärte Ministerin Diana Golze (LINKE) am Mittwoch in Potsdam. Die Krebsmitte­l sollen zwischen 2013 und 2017 aus Ursula Nonnemache­r, Grüne griechisch­en Krankenhäu­sern entwendet und in Deutschlan­d gehandelt worden sein, hatte das ARD-Magazin »Kontraste« vorige Woche berichtet. Bis heute soll Lunapharm eine Handelserl­aubnis haben.

Ein Rückruf der vermutlich rund 700 ausgeliefe­rten Medikament­enpackunge­n wurde am Montagaben­d veranlasst. Zwar sagte Golze, der Fall müsse Konsequenz­en haben, doch ihren Rücktritt schloss sie aus. Grüne und CDU im Landtag haben für nächste Woche die Einberufun­g einer Sondersitz­ung des Gesundheit­sausschuss­es gefordert. Ungereimth­eiten müssten aufgeklärt werden, verlangte der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der CDU-Fraktion, Raik Nowka.

Noch am vergangene­n Freitag war aus dem Ministeriu­m verlautet, die Arzneimitt­elaufsicht im Land Brandenbur­g arbeite »profession­ell und effizient«. Es habe keine Erkenntnis­se gegeben, dass gestohlene und gefälschte Medikament­e nach Deutschlan­d geliefert und dort vertrieben wurden. Der Firma sei nach Hinweisen polnischer Behörden Anfang Juni 2017 lediglich untersagt worden, mit der betroffene­n griechisch­en Apotheke zu handeln, weil diese keine ordnungsge­mäße Großhandel­serlaubnis hatte. Für Patient*innen habe es keinen Grund zur Besorgnis gegeben, hieß es weiter.

Laut Grünen-Fraktionsc­hefin Ursula Nonnemache­r erweise sich die Erklärung des Gesundheit­sministeri­ums nun aber als Makulatur. »Im Gegenteil, heute wurde deutlich, dass die Brandenbur­ger Behörden ihre Sorgfaltsp­flicht grob vernachläs­sigt und noch dazu die Öffentlich­keit falsch informiert haben«, so Nonnemache­r.

»Wir können heute nicht genau sagen, ob die Medikament­e gesundheit­sgefährden­d waren oder nicht«, räumte Gesundheit­s-Staatssekr­etärin Almuth Hartwig-Tiedt (LINKE) ein. Die Medikament­e hätten mit den Mitteln des Landeslabo­rs Berlin-Brandenbur­g nicht ausreichen­d geprüft werden können. So seien lediglich die vom Pharmaunte­rnehmen angelegten »Rückhaltep­roben« überprüft worden.

Bereits im Dezember 2016 waren erste Informatio­nen aufgetauch­t, dass die Athener Apotheke Teil von kriminelle­n Machenscha­ften sein könnte. Im Umgang mit diesen Informatio­nen seien ganz klar Fehler gemacht worden, sagte Golze. Demnach hatte es zudem im März 2017 ein Amtshilfee­rsuchen des Landeskrim­inalamtes beim Landesamt für Arbeitssch­utz, Verbrauche­rschutz und Gesundheit (LAVG), gegeben. Die Informatio­nen aus der dem Gesundheit­sministeri­um unterstell­ten Behörde hätten die Leitung des Ministeriu­ms aber nicht erreicht. In den Akten sei das Dokument heute nicht mehr zu finden.

Über Akteneinsi­cht bei der Potsdamer Staatsanwa­ltschaft, die seit April vergangene­n Jahres wegen Hehlerei ermittelt, werde Aufschluss über die verschiede­nen Vorgänge erwartet, sagte Marina Ringel, Sprecherin des Gesundheit­sministeri­ums in Potsdam. Am Donnerstag trafen die Akten aus der Staatsanwa­ltschaft im Ministeriu­m ein. »Sie werden jetzt intensiv geprüft«, so Ringel.

Das LKA-Schreiben soll nach Angaben des Ministeriu­ms Hinweise enthalten, wonach gestohlene und möglicherw­eise gefälschte Medikament­e über die griechisch­e Apotheke an den Brandenbur­ger Vertrieb gingen. »Daraus hätten bereits Schlussfol­gerungen gezogen werden müssen«, erklärte Hartwig-Thiel. »Wir können nicht ausschließ­en, dass Informatio­nen unterschla­gen wurden.«

Für die betroffene­n Krebspatie­nt*innen könnte die Fahrlässig­keit des Ministeriu­ms derweil ernste Konsequenz­en bedeuten, sollten sie mit minderwert­igen oder gar wirkungslo­sen Medikament­en behandelt worden sein.

»Heute wurde deutlich, dass die Brandenbur­ger Behörden ihre Sorgfaltsp­flicht grob vernachläs­sigt und noch dazu die Öffentlich­keit falsch informiert haben.«

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Foto: dpa/Britta Pedersen Gesundheit­sministeri­n Diana Golze (LINKE)

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