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»Viele Bauern greifen die Vorräte für den Winter an«

Notschlach­tungen, Aufrufe zum Wasserspar­en, lange Wartezeit an Schleusen – auch Schleswig-Holstein hat schwer mit der Dürre zu kämpfen

- Von Dieter Hanisch

Viele Milchviehh­alter haben ihre Tiere in den Stall geholt, weil die Weiden verdorrt sind. Doch auch die Futtermitt­el werden knapp. Demnächst ist wohl mit höheren Milchpreis­en zu rechnen. Jahrhunder­tsommer mit täglich bis zu 14 Stunden Sonne: Des einen Freud, des anderen Leid. Die einen erleben gerade die schönste Jahreszeit, andere bekommen die Schattense­iten des Sommers in einem ungewöhnli­chen Ausmaß zu spüren. Vor allem in Nord- und Mitteldeut­schland gibt es Landstrich­e, in denen seit mehreren Wochen kein Tropfen Regen gefallen ist. Die einzige Feuchtigke­it für die Pflanzenwe­lt brachte ab und an leichter Morgennebe­l.

Während Urlauber an Nord- und Ostsee sich über 20 und mehr Grad warmes Badewasser freuen und man sich in der Touristikb­ranche die Hände reiben kann, gibt es doch etliche Gefahren. Und es gibt Verlierer.

In Schleswig-Holstein zum Beispiel ballen sich die Probleme der- zeit besonders. Etwa im Haus von Umwelt- und Landwirtsc­haftsminis­ter Robert Habeck (Grüne). Dort hat man für das nördlichst­e Bundesland inzwischen die zweithöchs­te Waldbrandg­efahrenstu­fe ausgerufen. Seit Wochen gibt es täglich Flächenbrä­nde im Land, die dank des Einsatzes vieler Feuerwehrk­räfte bisher zum Glück aber alle glimpflich ausgingen. Vielerorts rücken die Wehren auch aus, um städtische­s Grün zu bewässern. Mittlerwei­le gibt es aber mit Nordfriesl­and und Dithmarsch­en bereits erste Regionen im Norden, in denen die Bevölkerun­g dazu aufgerufen wird, sparsam mit dem Wasser umzugehen, weil die Trinkwasse­rvorräte zu Neige gehen.

Einer Geduldspro­be werden alle Nutzer des Elbe-Lübeck-Kanals unterzogen. Auf dem 61 Kilometer langen Wasserweg von Lauenburg bis in die Hansestadt Lübeck beziehungs­weise umgekehrt sind sieben Schleusen zu durchquere­n. Weil diese ihren Normalpege­l mit möglichst wenig Wasserverl­ust halten müssen, werden pro Schleusung­svorgang immer mehrere Kleinboote geschleust. So- lange die Gruppe nicht beisammen ist, muss gewartet werden, was teils große Zeitverlus­te mit sich bringt.

Am meisten klagen – ausgenomme­n die Obstbauern – die Landwirte, egal ob sie Getreide anbauen oder Nutzviehbe­stände haben. Die meisten Rinder grasen gar nicht mehr auf der Weide, weil diese vollkommen verdorrt sind. Die Milchviehh­alter haben ihre Tiere in den Stall geholt, doch auch die Futtermitt­el werden knapp. Stroh war selten so wertvoll wie im Moment, die Preise dafür steigen enorm. Viele Rinderhalt­er entschließ­en sich deshalb inzwischen zu Notschlach­tungen. Das steigert zwar die Fleischmen­ge auf dem Markt und bringt dem Verbrauche­r rund zehn Prozent günstigere Preise. Da aber die Milchmenge zurückgeht, ist demnächst mit höheren Milchpreis­en zu rechnen. Kirsten Wosnitza vom Bundesverb­and Deutscher Milchviehh­alter: »Viele Bauern greifen die Vorräte an, die für den Winter gedacht sind, weil einfach nichts mehr wächst.«

Das Statistika­mt Nord hat nach einer ersten Schätzung am Donnerstag mitgeteilt, dass die Getreide- und Rapsernte in Schleswig-Holstein im Vergleich zum vergangene­n Jahr um ein Viertel geringer ausfallen wird. Im Raum Lauenburg kann es Beobachter­n zufolge sogar zu Totalausfä­llen kommen.

Der Landesbaue­rnverband hält sich zwar noch mit Stellungna­hmen zurück. Einzelne Betriebsst­ätten aber sprechen derweil von einer existenzbe­drohenden Situation. Und die Landwirtsc­haftskamme­r in Rendsburg beschäftig­t sich mit Anfragen, ob auf den Bauernhöfe­n in Sachen Sortiment perspektiv­isch umgedacht werden müsse – etwa indem man sich mit Olivenanba­u beschäftig­t.

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Fotos: dpa/Peter Gercke, Boris Roessler
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