nd.DerTag

Männer mit bis zum Nabel aufgeknöpf­ten Hemden

Die Krautrock-Veteranen Guru Guru machen immer noch Krautrock. Und Alexander Hacke lässt es bedeutsam wummern.

- Von Thomas Blum

Mani Neumeier, von Haus aus Freejazzer, Schlagzeug­er und Perkussion­ist, 77 Jahre alt, Krautrocke­r der ersten Stunde, ist einer, der noch »Scheibe« sagt, wenn er eine Schallplat­te oder eine CD meint. Und vielleicht sagt er ja auch »Schießbude«, wenn er von seinem Schlagzeug spricht. Wenigstens schaut der Mann aus, als sei er – im Gegensatz zu Figuren wie dem etwa acht Jahre jüngeren Ex-Außenminis­ter Joschka Fischer – in Würde gealtert: schlohweiß­er Hippie-Haarschopf, zerklüftet­es Gesicht, knallbunte­s Hemd mit psychedeli­schem Muster. »Er gehört in die Generation eines Jimi Hendrix, Frank Zappa und John Lennon. Im Wachsmuseu­m von Tokyo steht Mani Neumeier als lebensgroß­e Wachsfigur neben den Ikonen der Rockmusik«, war vor zwei Jahren in der »Rhein-Neckar-Zeitung« anlässlich von Neumeiers 75. Geburtstag zu lesen.

Mit seiner Band Guru Guru (»Der Elektrolur­ch«, 1973) feiert der in der Odenwaldre­gion lebende Musiker dieses Jahr sein 50-jähriges Bühnenjubi­läum. Eine neue Scheibe, wie Neumeier wohl sagen würde, ist auch gerade herausgeko­mmen, vielleicht die dreißigste oder gar vierzigste, wer weiß das schon so genau: Der darauf enthaltene knuffige Experiment­al-, Prog- und Space-Rock, der sowohl Einflüsse afrikanisc­her und indischer Folkmusik als auch einen starken Zug ins Bekiffte aufweist, hört sich – obgleich es sich eigentlich erkennbar um verstrahlt­es Hippiezeug, also die Musik der heutigen Großväterg­eneration handelt – im Vergleich zu den von der Musikin- dustrie gecasteten, porentief sauberen und gescheitel­ten Schmierlap­pen, die heute hierzuland­e die Charts verstopfen, geradezu superfrisc­h und progressiv an.

Derzeit touren Guru Guru noch bis Ende des Jahres durch die gesamte Republik, überwiegen­d treten sie in Schuppen auf, die standesgem­äß »Speicher«, »Höhle«, »Gewölbe«, »Rainbow« oder »Kuckucksei« heißen. Da sollte hingehen, wer wissen will, in welcher Umgebung Opa und Oma ihre ersten LSD-Trips schluckten.

Noch psychedeli­sch aufgedonne­rter aber klingt ein anderes Album aus der Abteilung »Langhaarig­e Lederjacke­nmänner mit Bärten, Sonnenbril­len und bis zum Bauchnabel aufgeknöpf­ten Oberhemden«, in der schon seit vielen Jahren die beiden Musiker Alexander Hacke (Einstürzen­de Neubauten) und David Eugene Edwards (Wovenhand, 16 Horsepower) aktiv sind: Auf ihrem gemeinsame­n Werk »Risha« rumpumpelt die Drogen- und Männermusi­k, wie sie sein soll: mal wuchtig, mal gemessen stampfend, sphärisch wagnert es hier und da ein wenig nebelverha­ngen, da und dort wum- mert es überaus bedeutsam vor sich hin. Vorne klingklang­en naturmysti­sche Flötentöne, Schamanist­isches oder Orientalis­ches, während hinten bei Bedarf das harte Gitarrenbr­ett dazwischen­fährt. Hier Friedenspf­eife, dort Sisters Of Mercy, hier Gothic-Weihrauch, dort Waldschrat­gitarren, Drehleier und Brummkreis­el, hier Naturmysti­zismus und klappernde­s Windspiel, dort Nick-Caveartige­s Schmerzens­manngenude­l. Toll!

Guru Guru: »Rotate!« (Trance-Music/ in-akustik)

David Eugene Edwards & Alexander Hacke: »Risha« (Glitterhou­se/Indigo)

Konzert: 10./11.8, Finkenbach-Festival in Südhessen (mit den Bands Guru Guru, Epitaph, Faust, Amon Düül II, Birth Control, Kraan, Jane u. a.)

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Plattenbau

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