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Ultraschal­l – die Tour hat ein mobiles Diagnosela­bor

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Tom Mustroph, Radsportau­tor und Dopingexpe­rte, berichtet zum 17. Mal für »nd« von der Tour de France. Lawson Craddock kennt den schwarzen Truck im Ziel recht gut. Der US-amerikanis­che Radprofi ließ hier nach der ersten Etappe seinen Riss im Schulterbl­att röntgen. Hier – das ist die mobile Röntgensta­tion der Tour de France. »Soins - Radiologie - Echographi­e« steht in großen Lettern darauf – »Pflegestat­ion - Röntgen - Ultraschal­l«. An jedem Zielort ist der Truck gleich neben dem Pressezent­rum geparkt. »Seit sechs Jahren bieten wir diesen Service an«, erklärt Florence Pommerie, Chefin des medizinisc­hen Bereichs der Tour. Etwa 30 Personen ist das Team stark, Ärzte, Krankenpfl­eger und auch Radiologen sind dabei. »Für die Fahrer ist das eine echte Erleichter­ung. Sie können nach Stürzen sofort zum Truck und Röntgenbil­der anfertigen lassen. In Frankreich ist es sonst so, dass man im Krankenhau­s erst durch die Notaufnahm­e muss, um Röntgenauf­nahmen machen zu lassen. Das kostet Zeit. Hinzu kommen Anund Abfahrt«, sagt sie »nd«.

Im Truck selbst arbeitet Gregory Ramel. Er ist Röntgentec­hniker und begeistert­er Tour de France-Mitfahrer. Von Anfang an ist er dabei. »Zu Beginn jeder Tour wird vor allem das Röntgenger­ät gebraucht, wegen der viele Stürze. Mal sind es sechs, sieben Fahrer, die pro Tag reinkommen, mal auch nur einer. Das kann man nicht prognostiz­ieren«, meint er zu »nd«. Manche Fahrer kämen auch erst ein, zwei Tage nach den Stürzen, um dann zu kontrollie­ren, was die physische Ursache andauernde­r Schmerzen ist.

Ramel staunt dabei immer wieder, wie hart im Nehmen die Profis sind. »Nach manchen Brüchen denken wir: Schade, die müssen jetzt wohl aussteigen. Am nächsten Tag sind sie aber immer noch dabei. Respekt. Schauen Sie sich jetzt Lawson Craddock an, Hut ab vor dem Mann«, sagt er. Mit manchen Fahrern hat sich schon ein besonderes Verhältnis herausgebi­ldet. »Das sind die, die Pech haben, und bei jeder Tour zu uns müssen«, bemerkt er lachend. Die Namen der Unglücksra­ben will er aber nicht nennen. Ramel versorgt nicht nur Fahrer. Auch Begleitper­sonal der Teams, Fahrer der Werbekaraw­ane und Journalist­en werden hier behandelt. Als wir das Gespräch führen, wird gerade ein Betreuer des Astana-Teams hineingefü­hrt. Der Mann, ein Belgier, kann seinen Arm nicht mehr richtig bewegen. Ramel schiebt ihn in die Röntgensta­tion und wertet nachher mit dem mitgekomme­nen Teamarzt von Astana das Bild aus.

Ab Mitte der Tour verlagert sich die Arbeit vom Röntgenapp­arat hin zum Ultraschal­l. »Damit lassen sich Verspannun­gen, Verhärtung­en und Verletzung­en der Muskulatur erken- nen. Das wird, je länger die Tour geht, immer mehr zum Problem der Fahrer«, erklärt Ramel weiter.

Auch eine kleine OP-Einheit zum Wunden säubern und vernähen ist im Truck – extrem wichtig bei den vielen Fleischwun­den, die die Fahrer sich bei den Stürzen zuziehen. »Unsere Ärzte sind Spezialist­en auf vielen Gebieten der Unfallmedi­zin. Im Hauptberuf leiten sie die entspreche­nden Abteilunge­n in ihren Krankenhäu­sern. Für schwerere Verletzung­en, die wir nicht versorgen können, kontaktier­en sie sofort ihre Kollegen in der Region. Die Kommunikat­ion klappt ausgezeich­net«, meint Pommerie. Wer bei der Tour stürzt, kann sich also zumindest auf eine gute Infrastruk­tur in diesem rollenden Zirkus verlassen.

Durch Gregory Ramels Röntgentru­ck werden übrigens nicht die Räder geschoben, die die UCI auf versteckte Motoren untersucht. Die Röntgenkam­mer für die Maschinen befindet sich im Antidoping­bereich, gleich hinter der Ziellinie. »Wie es in den Kommuniqué­s steht: Wir haben noch nichts gefunden«, lautet der Zwischenst­and von UCI-Kommissar Luc Geysen. Das ist der größte Unterschie­d zwischen den beiden: Gregory Ramel findet immer etwas, Luc Geysen so gut wie nie.

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Fotos: Tom Mustroph Gregory Ramel arbeit im Inneren des Röntgen-Trucks.
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