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»Heuschreck­en« auf Beutejagd

ThyssenKru­pp droht die Zerschlagu­ng: Die Triebkräft­e dahinter sind vor allem zwei Finanzinve­storen, meint Heinz-J. Bontrup

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Die Schlagzeil­en überschlag­en sich. An Rhein und Ruhr herrscht Krisenstim­mung. Die Landes- und Bundesregi­erung sind alarmiert. Es geht um über 100 Jahre Industrieg­eschichte, es geht um den Konzern ThyssenKru­pp, der in 79 Ländern an über 2000 Standorten aktiv ist und im Geschäftsj­ahr 2016/2017 einen Umsatz von rund 43 Milliarden Euro mit 158 000 Beschäftig­ten erzielt hat. Der ursprüngli­che Montan-Konzern gliedert sich heute modern in fünf »Business Areas«: Components Technology, Elevator Technologi­e, Industrial Solutions, Material Services und Steel Europe.

Die Stahlspart­e (Steel Europe) wurde gerade mit viel zeitlichem Aufwand und Ärger mit dem indischen Konkurrent­en Tata Steel fusioniert und der Firmensitz in die Region Amsterdam verlegt, womit eine Stahlära im Ruhrgebiet zu Ende geht. Die Mitbestimm­ungsseite hat versucht, die ungeliebte Fusion zu verhindern. Am Ende steht aber lediglich eine achtjährig­e Arbeitspla­tzgarantie.

»Es ist ein historisch­er Schritt«, sagte der kurz nach dem Fusionsabs­chluss überrasche­nd zurückgetr­etene Konzernche­f Heinrich Hiesinger, der sieben Jahre an der Spitze von Thyssen-Krupp stand und ein marodes Erbe übernommen hatte. Er muss offensicht­lich geahnt haben, was nach der Stahlfusio­n im Rest- und Mischkonze­rn Thyssen-Krupp auf ihn zukommt – nämlich die jetzt mögli- Heinz-J. Bontrup lehrt Wirtschaft­swissensch­aften an der Westfälisc­hen Hochschule. che Zerschlagu­ng. Zynisch könnte man fast sagen, da hat die Stahlspart­e ja geradezu »Glück« gehabt, dass sie sich noch rechtzeiti­g aus dem Konzernver­bund abgesetzt hat.

Wie groß die seit langem bei ThyssenKru­pp schwelende Krise unter anderem wegen gigantisch­er Fehlinvest­itionen, Kartellstr­afen sowie Kapital- und Beschäftig­ungsver- lusten mittlerwei­le ist, zeigt der jetzt noch zusätzlich­e Abgang des Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Ulrich Lehner zum Monatsende. Lehner und Hiesinger begründen ihre Flucht mit einer nur mangelhaft­en Unterstütz­ung der beiden Großaktion­äre, dem schwedisch­en Finanzinve­stor Cevian Capital und dem US-Hedgefonds Elliot. Ein abgestimmt­es Verständni­s über die weitere strategisc­he Ausrichtun­g des Restkonzer­ns sei nicht mehr möglich gewesen.

Die Finanzinve­storen, die das Geld ihrer vermögende­n Anleger verwerten, wollen Kasse machen. Und das muss, wie bei allen »Heuschreck­en« (Franz Münteferin­g, SPD), schnell gehen. Amortisati­onszeiten von unter drei Jahren sind hier keine Seltenheit. Man steigt in kriselnde oder auch an Börsen unterbewer­tete Unternehme­n ein, um sie zu filettiere­n, das heißt die »guten« Unternehme­nsteile zu verwerten und die »schlechten« abzustoßen. Dies geschieht zumeist durch eine Zerschlagu­ng. Oder man treibt den unterbewer­teten Börsenkurs nach oben und verkauft dann wieder seine Anteile mit Profit. Im Fall ThyssenKru­pp geht es offensicht­lich um Zerschlagu­ng. Jedenfalls sollen die Fonds immer mehr auf einen »Umbau« des Konzerns drängen.

Dafür spricht die schon seit längerem anhaltende schlechte wirtschaft­liche Performanc­e. Die Aktie ist mit etwa 23 Euro auf einem niedrigen Niveau, die Marktkapit­alisierung der 622,5 Millionen Aktien liegt bei nur gut 14,3 Milliarden Euro. Trotz eines kumulierte­n Verlustes von gut 1,2 Milliarden Euro in den Jahren 2013 bis 2017 kam es aber im gleichen Zeitraum zu unverantwo­rtlichen Dividenden­ausschüttu­ngen an die Shareholde­r von jahresdurc­hschnittli­ch 65,1 Millionen Euro. Die durchschni­ttliche Eigenkapit­alrendite war von 2013 bis 2017 – wegen des Verlustes – mit 9,2 Prozent stark negativ. Erschrecke­nd niedrig ist auch die Eigenkapit­alquote mit nur 9,7 Prozent. Das kurzfristi­ge Fremdkapit­al, bezogen aufs Gesamtkapi­tal, kommt auf eine ebenso besorgnise­rregende Quote von fast 49 Prozent, und das Finanzerge­bnis ist tief defizitär. Solche schlechten wirtschaft­lichen Daten locken am Ende womöglich noch weitere »Heuschreck­en« an, um sich die Filetstück­e aus einem »kranken Patienten« ThyssenKru­pp herauszusc­hneiden und damit am Ende den Konzern zu zerschlage­n.

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Foto: Ulrich Zillmann

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