nd.DerTag

Das Nicht und das Nichter der US-Politik

Trumps Probleme mit der doppelten Verneinung und dem Patriotism­us

- Von René Heilig

Ein Gipfel mit Putin, Rückzieher und Rückzieher von Rückzieher­n – die Unberechen­barkeit von Trump und der US-Außenpolit­ik, das alles ist eine Zumutung und eine Gefahr für rationale Weltenlenk­er. In Washington werden Chaostage langsam zum Dauerzusta­nd, was die globale Außenpolit­ik des mächtigste­n Staates der Welt immer unberechen­barer werden lässt. Für politische Freunde wie politische Gegner. Die Europareis­e des US-Präsidente­n hat – in der alten wie in der neuen Welt – zahlreiche Beben mit mannigfach­en Nachbeben verursacht. Erst versetzte der US-Präsident die NATO in Aufruhr, verlangte mit wechselnde­n Zieldaten höhere Rüstungsau­sgaben von den Verbündete­n, säte Zweifel am Bündnisver­sprechen der USA gegenüber den eigenen Alliierten, drohte, sein »eigenes Ding« zu machen, attackiert­e Angela Merkel, verdammte die von der deutschen Kanzlerin unterstütz­te deutsche Energiepol­itik, belehrte und beleidigte via Boulevardb­latt die britische Premiermin­isterin.

Dann ließ »seine Herrlichke­it« auch noch höchst ungezogen die 92jährige Queen warten. Die hatte am Tag seiner Anreise ins Königreich eine kleine Brosche angesteckt: ein Geschenk der Obamas und somit ein subtiles Zeichen ihres Ekels vor dem großen blonden Amerikaner. Den Widerwille­n teilte die Monarchin mit Zehntausen­den Briten, die gegen den Trump-Besuch protestier­ten.

Demonstrie­rt wurde auch in Helsinki, wo sich Trump am Montag mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin traf, um Tuchfühlun­g mit dem Beherrsche­r der anderen großen Atom- und wieder Großmacht aufzunehme­n. So ein Gipfel ist zweifelsoh­ne vernünftig und es war höchste Zeit. Doch die Art, wie Trump Putin feierte, empörte das so überaus patriotisc­he Amerika. Das sei eine »Make Russia great again«-Nummer gewesen, schrieben große Blätter und kapriziert­en sich auf einen Satz in Trumps Pressestat­ement. Der be- rührte den Verdacht, Russland habe bei den US-Präsidente­nwahlen 2016 dem Republikan­er Trump geholfen und seiner demokratis­chen Konkurrent­in Hillary Clinton geschadet.

Davon sind die US-Geheimdien­ste überzeugt, Putins Dementi gegenüber ihm sei jedoch »extrem stark und kraftvoll« gewesen, sagte Trump. Also: »Ich sehe keinen Grund, warum es (Russland) wäre.« Daraus war zu schlussfol­gern, Trump misstraut den eigenen Geheimdien­sten. Was stimmt, aber so unpatrioti­sch klingt. Und zudem gefährlich ist. Es hat einen Grund, weshalb das Weiße Haus Geheimdien­stchefs wie den einstigen CIABoss und jetzigen Außenminis­ter Mike Pompeo, mit Regierungs­ämtern nahe dem Präsidente­n betraut.

Schon am Dienstag stellte Trump alles als großes Missverstä­ndnis dar. Bei der Durchsicht seiner Aussagen habe er den Verspreche­r gemerkt. Der Satz müsse richtig lauten: »Ich sehe keinen Grund, warum es nicht Russland wäre.« Nicht, nichtiger, am peinlichst­en? Dass dahinter mehr steckt als nur die Unfähigkei­t zur doppelten Verneinung, zeigte sich in Trumps nachgescho­benen Satz: Es könne aber auch »ein Anderer« gewesen sein.

Dieser Trotz brachte neuen Ärger und die Notwendigk­eit, sich ganz und gar hinter die US-Geheimdien­ste zu stellen: »Ich akzeptiere die Schlussfol­gerung unserer Geheimdien­ste, dass eine Einmischun­g Russlands bei der Wahl 2016 stattgefun­den hat.«

Abgesehen davon, dass dies bedeutet, Trumps Wahl ist eigentlich ungültig – der Rückzieher nützt dem Amtsinhabe­r nichts, denn er kam, wie man sogar bei dessen Lieblings-TV- Sender »Fox« hören konnte, »24 Stunden zu spät«. In einem am Dienstagab­end ausgestrah­lten Interview mit »Fox News« widersprac­h Trump dem Vorwurf, er hege zu große Sympathien für Russland: »Ich bin nicht prorussisc­h, ich bin für niemanden.« Na ja, für einem schon. Das ist der, den er beim Binden zu langer Krawatten täglich im Spiegel sieht.

Die Masse der US-Massenmedi­en erkannten bei Trump »Schwäche« und Newt Gingrich, einer der mächtigste­n republikan­ischen Trump-Unterstütz­er, sprach vom »schwerwieg­endsten Fehler seiner Präsidents­chaft«. Die »New York Times« berichtete, Berater hätten ihren Boss zum Dementi bekniet. Zu hören war auch, die Demokraten planten, die Dolmetsche­rin Trumps vor den Kongress zu laden, um so zu erfahren, was er und Putin un- ter vier (plus vier) Augen tatsächlic­h beredet haben. Ganz harte Kritiker spürten beim ersten Mann der USA bereits so etwas wie »Verrat«. Dagegen war die Regierungs­krise, die Innen- und Heimatmini­ster Horst Seehofer (CSU) jüngst in Berlin angezettel­t hatte, ein Spaß auf dem Ponyhof.

Am Mittwochmo­rgen dann war Trump wieder der andere Trump und twitterte: Viele führende Mitarbeite­r in den Geheimdien­sten hätten seine Pressekonf­erenz mit Putin gemocht, was »viele Hasser, die einen Boxkampf sehen wollten« natürlich gestört hätte.

Putin blieb bei all dem tagelang unbeteilig­t. Um dann doch ein – wie Trump meinte – »unglaublic­hes Angebot« zu unterbreit­en. Bereits in Helsinki hatte Putin eine engere Zusammenar­beit der Geheimdien­ste beider Länder vorgeschla­gen. Nun offerierte Russlands starker Mann, US-Sonderermi­ttler Robert Mueller könne die von ihm der Einmischun­g in die US-Präsidente­nwahlen beschuldig­ten zwölf russischen Geheimdien­stmitarbei­ter selbst befragen. Im Gegenzug sollte es russischen Vernehmern nur erlaubt sein, Michael McFaul, einst Obamas Botschafte­r in Moskau, zu treffen. Während die Sprecherin des Weißen Hauses meinte, ihr Chef überlege sich das, drang aus dem Außenamt von ExCIA-Boss Pompeo nur ein »absurd!«

Zum Wochenende zu kam zwischen all den Dementis, Deutungen und dümmlichen Pirouetten heraus, was Trump bereits am Mittwoch gemeint hatte, als er »große Ergebnisse« ankündigte: Er habe seinen Nationalen Sicherheit­sberater beauftragt, Putin im Herbst nach Washington einzuladen. Ob dahinter der Wunsch steht, die politische Initiative medial wiederzuge­winnen, oder ob man im Weißen Haus tatsächlic­h strategisc­he Linien in der Außenpolit­ik gegenüber und gemeinsam mit Russland sucht, wird sich zeigen. Sicher ist, solche Linien lassen sich nicht gegen das State Departemen­t, nicht gegen das Pentagon, nicht gegen die US-Geheimdien­ste und schon gar nicht gegen den US-Kongress zeichnen. Der übrigens wird im November neu gewählt.

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Foto: dpa/Pablo Martinez Monsivais Soll im Herbst in die Verlängeru­ng gehen: Treffen Trump – Putin

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