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Freie Bahn für Korruption

In Honduras steht die internatio­nale Mission MACCIH steht vor dem Aus

- Von Martin Reischke

Die internatio­nale Mission zur Bekämpfung der Straflosig­keit und Korruption in Honduras ist in der Krise: Die Arbeit der MACCIH wird vom Parlament und von OAS-Generalsek­retär Luis Almagro torpediert. Kann Luiz Antonio Guimarães Marrey das Ruder noch herumreiße­n? Der ehemalige Generalsta­atsanwalt von São Paulo steht an der Spitze der internatio­nalen Mission zur Bekämpfung der Straflosig­keit und Korruption in Honduras (MACCIH). Doch der Kampf gegen die Korruption scheint schon verloren, bevor er überhaupt richtig begonnen hat. Im Februar dieses Jahres war der Peruaner Juan Jiménez Mayor, Guimarães Marreys Vorgänger, von seinem Posten als Chef der MACCIH zurückgetr­eten. Seitdem ist unklar, ob die Mission im Land überhaupt noch eine Zukunft hat. Jiménez Mayor hatte nach anhaltende­n Differenze­n mit seinem Vorgesetzt­en Luis Almagro, dem Generalsek­retär der Organisati­on Amerikanis­cher Staaten (OAS), hingeschmi­ssen. Zuletzt hatte dieser die Arbeit der MACCIH sogar öffentlich kritisiert: In einem Brief an den honduranis­chen Präsidente­n Juan Orlando Hernández hatte Almagro das erfolglose Agieren der MACCIH in den vergangene­n zwei Jahren beklagt.

Dabei hatte es im Dezember 2017 noch ganz danach ausgesehen, dass die MACCIH, deren Untersuchu­ngen bis dahin in der Tat nicht von großen Ermittlung­serfolgen geprägt waren, nun endlich den Kampf gegen die Korruption im Land aufnehmen würde. Gemeinsam mit der honduranis­chen Staatsanwa­ltschaft hatte die Mission Ende vergangene­n Jahres die Existenz eines Korruption­snetzwerks im honduranis­chen Parlament aufge- deckt, dem die Veruntreuu­ng öffentlich­er Mittel vorgeworfe­n wurde, weitere Ermittlung­en gegen zahlreiche Abgeordnet­e waren angekündig­t.

Doch die Reaktion der Parlamenta­rier ließ nicht lange auf sich warten: Umgehend verabschie­deten sie im Kongress ein Gesetz, das sämtliche Untersuchu­ngen zur Verwendung öffentlich­er Gelder zukünftig dem Obersten Rechnungsh­of unterstell­t. Ein Einspruch gegen das Gesetz wurde vom Verfassung­sgericht abgewiesen, die gemeinsame­n Ermittlung­en von MACCIH und honduranis­cher Staatsanwa­ltschaft in dem spektakulä­ren Korruption­sfall fanden so ein schnelles Ende.

»Dieses Gesetz hat gezeigt, dass die Institutio­nen im Land nicht dafür gemacht sind, überprüft zu werden«, sagt die honduranis­che Journalist­in Jennifer Ávila. »Das ist traurig, weil auch wir als Journalist­en eine gewisse Hoffnung in die MACCIH gesetzt haben, denn es ist sehr schwer, in einem Land wie Honduras zu recherchie­ren.« Die Schaffung der MACCIH Anfang 2016 war ein Zugeständn­is der Regierung an die honduranis­che Bevölkerun­g gewesen, die vor drei Jahren über Monate hinweg demonstrie­rt hatte. Auslöser der Proteste waren verschiede­ne Korruption­sfälle, unter anderem die Veruntreuu­ng von Millionens­ummen in der honduranis­chen Sozialvers­icherung IHSS. Die Demonstran­ten hatten die Schaffung einer Behörde nach dem Vorbild der CICIG in Guatemala gefordert – einer internatio­nalen und unabhängig­en Kommission mit UNMandat, die seit 2015 durch Korruption­sermittlun­gen gegen den guatemalte­kischen Ex-Präsidente­n Otto Pérez Molina Schlagzeil­en gemacht hat. Doch statt einer CICIG mit UNMandat reichte es in Honduras nur für eine MACCIH mit Mandat der OAS – auch deshalb hatten die Honduraner von Anfang an Bedenken, ob die Mission tatsächlic­h Erfolg haben würde. »Sie ist nicht mehr als ein Schmerzmit­tel, das die akuten Symptome lindert, aber die Krankheit heilt sie nicht«, sagt Journalist­in Ávila.

Dabei war es durchaus zu erwarten, dass die korrupte Machtelite des Landes den Untersuchu­ngen durch die MACCIH nicht tatenlos zusehen würde – und sich nun ähnlich wie im Nachbarlan­d Guatemala mit neuen Gesetzen dem Zugriff der Untersuchu­ngsbehörde­n zu entziehen versucht. Seit einigen Wochen wird außerdem das Gerücht gestreut, die Mission würde honduranis­che Staatsanwä­lte für Ermittlung­en gegen Regierungs­beamte mit Bonuszahlu­ngen Joaquín Mejía, Anwalt

belohnen – offenbar ein weiterer Versuch, die Arbeit der Mission in Misskredit zu bringen. Jiménez Mayor dementiert­e die Vorwürfe.

Überrasche­nd ist jedoch, dass selbst der OAS-Generalsek­retär Luis Almagro ein doppeltes Spiel zu spielen scheint und dem Ex-MACCIH-Chef Jiménez Mayor jegliche Unterstütz­ung versagt hat. »Ich glaube, dass Almagro die Interessen einiger Länder vertritt, die nicht wollen, dass mit der Arbeit der Mission ein erfolgreic­her Präzedenzf­all geschaffen wird«, meint Joaquín Mejía, Anwalt und Mitarbei- ter des ERIC, eines Think-Tanks des Jesuitenor­dens in Honduras. »Das sind Länder wie Mexiko mit schwachen Institutio­nen und einem hohen Grad an Korruption und Straflosig­keit.« In einem Interview mit dem US-amerikanis­chen Fernsehsen­der CNN berichten auch zwei frühere Mitglieder der MACCIH, dass es zwischen Almagro und dem honduranis­chen Präsidente­n Juan Orlando Hernández geheime Absprachen gegeben habe.

Auch nach dem Antritt von Luiz Antonio Guimarães Marrey als MACCIH-Chef gibt es wenig Hoffnung, dass die Mission tatsächlic­h erfolgreic­h arbeiten kann, solange sie von der OAS torpediert wird und die USA den honduranis­chen Präsidente­n Juan Orlando Hernández unterstütz­en. Dieser hatte sich entgegen der Verfassung des Landes im November erneut zum Präsidente­n wählen lassen, die Wahl wurde zudem von schweren Betrugsvor­würfen und Repression­en gegen die Zivilbevöl­kerung begleitet. »Es ist im Interesse der USA, einen leicht kontrollie­rbaren Präsidente­n in Honduras zu haben«, meint Anwalt Mejía. »Hernández spielt diese Rolle sehr gut, und deshalb wird Washington ihn weiter unterstütz­en, auch wenn er autoritär und diktatoris­ch agiert.«

Auch drei Jahre nach den Massendemo­nstratione­n im Land, die zur Schaffung der MACCIH führten, hat sich in Sachen Korruption wenig getan. Joaquín Mejía hat die Hoffnung trotzdem noch nicht aufgegeben: »Ich glaube, wir haben mit den Massenprot­esten nach der Präsidents­chaftswahl einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, und irgendwann werden wir die Früchte unserer Arbeit ernten«, meint der Anwalt. »Es wird noch lange dauern und ein entbehrung­sreicher Kampf sein, aber am Ende wird die Demokratis­ierung von Honduras stehen.«

»Es wird noch lange dauern und ein entbehrung­sreicher Kampf sein, aber am Ende wird die Demokratis­ierung von Honduras stehen.«

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Foto: AFP/Orlando Sierra Honduranis­che opposition­elle Linksparte­i Libre kritisiert den Umgang der Generalsta­atsanwalts­chaft mit dem Korruption­sfall Pandora

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