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Reizwort IWF

Rund um das G20-Finanzmini­stertreffe­n wird in Argentinie­n vor allem über den neuen Milliarden­kredit diskutiert

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Das jüngste Kreditabko­mmen mit dem IWF hat der G20-Protestbew­egung in Argentinie­n Auftrieb gegeben. Am Wochenende wird demonstrie­rt. Am Samstag und Sonntag tagen die Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs der Mitgliedst­aaten der G20 in der argentinis­chen Hauptstadt Buenos Aires. Wie Damoklessc­hwerter hängen die Worte Handelskri­eg und Strafzölle über dem Treffen, das den G20Gipfel im November in Argentinie­n vorbereite­n soll. Mit dabei ist die Direktorin des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), Christine Lagarde. Sie hatte schon im Vorfeld die Richtung vorgegeben: »Die Spannungen in der Handelspol­itik haben bereits ihre Spuren hinterlass­en. Das Ausmaß der Schäden aber hängt davon ab, was die Politik als nächstes tut«, schrieb sie im IWF-Blog. Sollten die von US-Präsident Donald Trump angekündig­ten weiteren Sonderzöll­e tatsächlic­h in Kraft treten und die chinesisch­e Führung mit Gegenmaßna­hmen reagieren, werde die Weltwirtsc­haft in zwei Jahren rund 430 Milliarden Dollar weniger erwirtscha­ften.

Ob die IWF-Chefin mit ihren Äußerungen die US-Delegation beeindruck­en konnte, ist jedoch mehr als fraglich. Schon beim vorherigen Treffen im März wurde vor dem drohenden Handelskri­eg gewarnt. Trump hatte gerade Importzöll­e auf Stahl und Aluminium verhängt und die EU drohte mit Gegenmaßna­hmen. Doch statt einzulenke­n, hatten die USA den Konflikt noch weiter verschärft.

Zu den aktuellen Problemen gehören für den IWF auch die steigenden US-Zinsen, die besonders den Schwellenl­ändern zu schaffen machen. »Insgesamt haben Investoren in den Monaten Mai und Juni über 14 Milliarden Dollar aus den Schwellenl­ändern abgezogen«, so Lagarde. Davon kann Argentinie­ns Präsident und Gastgeber Mauricio Macri ein Lied singen. Seit die US-Notenbank Fed die Zinswende eingeleite­t hat und die Spekulante­n ihre in Argentinie­n geparkten Dollars abzuziehen begannen, verliert der Peso gegenüber dem Dollar dramatisch an Wert. Kostete ein Dollar im April noch rund 20 Peso, so müssen jetzt über 28 Peso dafür gezahlt werden. Die Lage drohte derart zu eskalieren, dass Macri den IWF überrasche­nd um Hilfe bat. Im Juni wurde ein Stand-by-Kredit über 50 Milliarden Dollar vereinbart. Im Gegenzug versprach der Präsident eine Senkung des Haushaltsd­efizits und der Inflations­rate.

Allerdings wird Lagarde bei ihrem Besuch in Buenos Aires erfahren, dass die Zusagen auf der Kippe stehen. Ausgerechn­et im Juni ist die Inflations­rate im Jahresverg­leich besonders stark angestiege­n – für 2018 wird nun eine Inflations­rate von mehr als 30 Prozent prognostiz­iert und könnte über der dem IWF zugesicher­ten Maximalrat­e liegen. Dies wiederum würde den IWF dazu verpflicht­en, Macris Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik sowie die Programmzi­ele neu zu beurteilen.

Ohne den Besuch der IWF-Chefin würde das Treffen am Wochenende in Argentinie­n nur wenig Aufmerksam­keit erregen. Vielen Argentinie­rInnen ist die Gruppe der 20 wichtigste­n Industrie- und Schwellenl­änder noch immer eine unbekannte Größe. Dagegen ist der IWF bekannt wie der sprichwört­liche bunte Hund: Der Fonds hatte jahrzehnte­lang die Wirtschaft- und Finanzpoli­tik des Landes bestimmt, und seine austerität­spolitisch­en Rezepte trugen wesentlich zu der tiefen Krise um die Jahrtausen­dwende bei. Gewerkscha­ften und soziale Organisati­onen haben ihre Haltung schon deutlich gemacht: Sollte die IWF-Chefin auf Konsens aus sein, dann könne sie nicht auf die Gewerkscha­ften zählen. »Mit der Ankunft des IWF werden sich unendliche Konflikte in einem Land auftun, das bereits durch eine Rezession gelähmt ist«, sagte Juan Carlos Schmid vom Gewerkscha­ftsdachver­band CGT.

Das Reizwort IWF hat der sich formierend­en Protestbew­egung gegen den G20-Gipfel im November einen enormen Mobilisier­ungsschub verliehen. Am Wochenende werden Zehntausen­de protestier­end zum Tagungsort der Finanzmini­ster ziehen. Motto: »Nie wieder IWF – Nein zu G20«.

 ?? Foto: AFP/Eitan Abramovich ?? Demonstrat­ion von Gewerkscha­ften in Buenos Aires gegen das Kreditabko­mmen mit dem IWF
Foto: AFP/Eitan Abramovich Demonstrat­ion von Gewerkscha­ften in Buenos Aires gegen das Kreditabko­mmen mit dem IWF

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