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»Sehr tiefgreife­nde Verstricku­ng«

Im Saarland bedrängt die zweite Gewalt die vierte. Journalist­en thematisie­rten die NS-Vergangenh­eit eines CDU-Politikers

- Von Stefan Ripplinger

Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die Generalsek­retärin der CDU, konnte einem in den letzten Wochen fast anständig vorkommen. Doch das verdankte sie einzig den Bayern. Mit Horst Seehofer und Markus Söder verglichen, ist selbst Räuber Kneißl ein Ehrenmann. Mag die Frau den beiden auch freundlich widersproc­hen haben, war doch am Ende auch sie für den Bau von Lagern. Überhaupt steht sie den Nationalis­ten näher, als man es für möglich hält. Einen Beweis dafür liefert die jüngste Ausgabe der Zeitschrif­t »Saarbrücke­r Hefte«. Sie faksimilie­rt in voller Länge einen Brief der noch von Kramp-Karrenbaue­r geführten Saarbrücke­r Staatskanz­lei an den Intendante­n des Saarländis­chen Rundfunks. Darin rüffelt jene diesen dafür, dass in seinem an sich staatsnahe­n Sender nicht nur die Nazivergan­genheit des langjährig­en Ministerpr­äsidenten Franz-Josef Röder (CDU) erwähnt, sondern auch deren Vertuschun­g kritisiert worden ist.

Kramp-Karrenbaue­rs Leiter der Abteilung »Grundsatzf­ragen und Öffentlich­keitsarbei­t«, Jochen J. Wagner, zeigt sich empört. Ein Rundfunkmi­tarbeiter habe es gewagt, zu einer Debatte Stellung zu nehmen, »in der zwei Journalist­en der sog. ›Saarbrücke­r Hefte‹ Franz-Josef Röder eine sehr tiefgreife­nde Verstricku­ng mit dem Nationalso­zialismus vorwerfen«. Der Sender habe es versäumt, bei dem mit der Geschichte amtlich betrauten Landesarch­ivar Peter Wettmann-Jungblut eine Expertise einzuholen. Wie andere Historiker von Amts wegen auch, hatte Wett- mann die – im Abteilungs­leiterdeut­sch formuliert – »sehr tiefgreife­nde Verstricku­ng« Röders erst jahrelang eisern beschwiege­n, dann, als es nicht mehr anders ging, mehrfach abgeleugne­t. Doch damit endet die Unbotmäßig­keit des Rundfunkmi­tarbeiters noch nicht. Er habe, so Wagner weiter, dem Landesarch­ivar Unterschla­gung vorgeworfe­n und ihn deswegen auch noch »unredlich« genannt.

Darauf, ob an diesen Vorwürfen etwas dran ist, geht Kramp-Karrenbaue­rs Grundsatzf­ragen-Leiter auf drei Seiten nicht ein, beruft sich auf ihm genehme wissenscha­ftliche Autoritäte­n und schließt mit drohendem Unterton, es liege »in unserem gemeinsame­n Interesse« usw. Man denke: das gemeinsame Interesse von zweiter und vierter Gewalt, von Exekutive und Medien. Überall sonst, beispielsw­eise in Bayern, hätte der Präsidenti­nnenassist­ent dem Intendante­n beispielsw­eise beim Golfen Bescheid gestoßen. Im Saarland darf er sich sicher genug fühlen, um seine Gleichscha­ltungsmaßn­ahme schriftlic­h vorzunehme­n.

Kurz zu den Fragen, die KrampKarre­nbauers Grundsatzf­ragenMann auslässt: War Ministerpr­äsident Röder wirklich »sehr tiefgreife­nd« in den Nationalso­zialismus »verstrickt«, hat der Landesarch­ivar wirklich etwas unterschla­gen, hat er wirklich unredlich gehandelt? Antwort: Ja, ja und ja. Um das zu beurteilen, muss einer kein Historiker sein, sondern nur lesen können. Denn Röder hat den Umstand, dass er – Jahre bevor das Saargebiet an NaziDeutsc­hland fiel – gleich in mehrere NS-Organisati­onen eingetrete­n ist, selbst dargelegt. Röders Erklärung lag dem Landesarch­ivar vor, dennoch log er, außer der Parteimitg­liedschaft sei bislang nichts Nazistisch­es über Röder bekannt. Und nachdem er so gelogen hatte, bezichtigt­e er gleich noch die genannten Autoren der »sog. ›Saarbrücke­r Hefte‹«, Erich Später und Julian Bernstein, der »Lügen in demagogisc­her Absicht«. Die beiden hatten Röders Nazivergan­genheit aufgedeckt; Bernstein hat für seine Recherche gerade den Alternativ­en Medienprei­s erhalten.

Außerdem in dieser Ausgabe: die ganze Wahrheit über die angeblich von Karl Marx geschwänge­rte Lenchen Demuth und meine Kindheitse­rinnerung »Marx in St. Ingbert«.

»Saarbrücke­r Hefte«, Nr. 117/118 (Sommer 2018), Einzelprei­s 11,80 €, zu bestellen über: www.blattlausv­erlag.de

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