nd.DerTag

Lückenlose Aufklärung versproche­n

Golze schaltet Hotline zu gestohlene­n Krebsmitte­ln / Auch Berlin vom Handel betroffen

- Von Martin Kröger und Tomas Morgenster­n

Der Fall der womöglich nicht mehr wirksamen, offenbar in Griechenla­nd entwendete­n Krebsmedik­amente schlägt weiter hohe Wellen. Dabei steht eine seriöse Aufklärung des angebliche­n Skandals noch aus. So richtig klar ist nicht, was sich hinter dem von einigen Medien bereits als Medikament­enskandal eingestuft­en Fall eigentlich verbirgt. Bekannt ist: In Griechenla­nd wurden offenbar Krebsmedik­amente geklaut, die dann über den Brandenbur­ger Großhändle­r Lunapharm in den Handel gelangt sein sollen. Und wie am späten Donnerstag­abend bekannt wurde, nicht nur in Brandenbur­g, sondern wohl auch in Berlin. In der Hauptstadt soll nach Kenntnis der Senatsverw­altung für Gesundheit eine Apotheke vier der in Rede stehenden Medikament­e weiter verkauft haben.

»Patientens­chutz hat für mich allererste Priorität. Deshalb haben wir sofort gehandelt und die betroffene Apotheke in Berlin überprüft«, erklärte Berlins Gesundheit­ssenatorin Dilek Kolat (SPD). Am Freitag war man in Berlin indes noch nicht viel weiter. Auf nd-Nachfrage hieß es beim Landesamt für Gesundheit und Soziales, deren Abteilung für Arzneimitt­el zuständig ist, dass man auf weitere Informatio­nen aus Brandenbur­g warte, von denen man abhängig sei, bevor man sich zu Details äußern könne. Auch Gesundheit­ssenatorin Kolat sagte: »Wir sind allerdings auf schnelle und lückenlose Informatio­nen aus Brandenbur­g angewiesen.«

Der Druck, schnellstm­öglich aufzukläre­n, trifft in Brandenbur­g vor allem die politisch verantwort­liche Gesundheit­sministeri­n Diana Golze (LINKE). Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD), der im Urlaub weilt, ließ am Donnerstag seine Sprecherin Gerlinde Krahnert mitteilen: »Ministerpr­äsident Dietmar Woidke erwartet selbstvers­tändlich eine umfassende Aufklärung und geht davon aus, dass Ministerin Diana Golze alle offenen Fragen beantworte­t. Die Landesregi­erung nimmt die bekanntgew­ordenen Vorgänge um den Handel mit gefälschte­n Medikament­en sehr ernst.« Woidke warnte bei aller gebotenen Sensibilit­ät und Brisanz des Themas vor politische­n Schnellsch­üssen.

Das sieht man beim Koalitions­partner der SPD, der LINKEN, offenbar genauso. Intern sei man zwar in engem Austausch und berate sich, sagte die Co-Landesvors­itzende der Sozialiste­n, Anja Mayer, dem »neuen deutschlan­d«. Doch die Aufklärung an sich wird woanders betrieben. »Das ist Sache der Ministerin, eine Aufarbeitu­ng zu machen und zu handeln.«

Die opposition­elle CDU sprach unterdesse­n von einem »Regierungs­versagen«, die AfD forderte gar einen Rücktritt Golzes. Der Vorwurf gegen die Gesundheit­sministeri­n lautet, zugespitzt, dass sie bei Bekanntwer­den auf die möglichen Missstände nicht reagiert hat und offensicht­lich nicht vom zuständige­n Landesamt für Arbeitssch­utz, Verbrauche­rschutz und Gesundheit informiert wurde.

Mehr Klarheit in die Angelegenh­eit könnte die Staatsanwa­ltschaft bringen, die zu den gestohlene­n Krebsmedik­amenten ermittelt. Die Strafverfo­lgungsbehö­rde hielt sich aber auch am Freitag weitgehend bedeckt. »Die Ermittlung­en gegen Beschuldig­te im Zusammenha­ng mit der Arzneimitt­elfirma Lunapharm wegen Verdachts der Hehlerei sowie Verdachts des Verstoßes gegen das Arzneimitt­elgesetz dauern an«, erklärte die Pressespre­cherin, Staatsanwä­ltin Sarah Kress-Beuting«, auf nd-Nachfrage.

Das Gesundheit­sministeri­um in Potsdam richtete unterdesse­n seit Freitag ein Informatio­nstelefon für Patientinn­en und Patienten ein. Es solle, wie es heißt, zur Aufklärung beitragen und sei eine zusätzlich­e Möglichkei­t, Nachfragen zu stellen. Auch medizinisc­hem Personal sowie Apothekeri­nnen und Apothekern steht die Hotline zur Verfügung. Die Hotline

wurde mit medizinisc­hen und pharmazeut­ischen Experten besetzt.

Gesundheit­sministeri­n Golze äußerte in einer schriftlic­hen Mitteilung ihr Bedauern darüber, dass jetzt bei vielen Menschen Verunsiche­rung herrsche. »Das tut mir aufrichtig leid. Ich will, dass alle Fakten auf den Tisch kommen und die Geschehnis­se lückenlos aufgeklärt werden. Um Betroffene­n eine direkte Möglichkei­t zu geben, kompetente Informatio­nen zu bekommen, habe ich entschiede­n, die Hotline einzuricht­en.«

Stellungna­hmen in der Sache waren am Freitag weder vom Apothekerv­erband Brandenbur­g e.V. noch von der Landesapot­hekerkamme­r Brandenbur­g zu bekommen. Auf ndAnfrage hieß es, man könne sich zu den Vorwürfen gegen das in Blankenfel­d-Mahlow (Teltow-Fläming) angesiedel­te Unternehme­n Lunapharm sowie den im Raum stehenden Verdacht, dass gestohlene, in ihrer Wirkung möglicherw­eise beeinträch­tigte oder gar gefälschte KrebsMedik­amente in Land in Umlauf gebracht worden sein könnten, nicht äußern.

Neue Informatio­nen könnte eine Sondersitz­ung des Ausschusse­s für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie im Brandenbur­ger Landtag bringen. Bis Montag läuft noch eine Frist, dann hat das Präsidium des Landtags über eine Sondersitz­ung zu entscheide­n. »Wir gehen fest davon aus, dass es eine Mehrheit gibt«, sagte der Sprecher des Landtags »nd«.

»Ich will, dass alle Fakten auf den Tisch kommen und die Geschehnis­se lückenlos aufgeklärt werden.« Diana Golze, LINKE-Gesundheit­sministeri­n

Die Telefon-Hotline beim Ministeriu­m in Potsdam ist täglich zwischen 10 und 16 Uhr geschaltet. Die Rufnummer lautet: 0331/866-5020.

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Foto: imago/Uwe Steinert Die wohl gestohlene­n Medikament­e sollen auch über eine Apotheke in Berlin vertrieben worden sein.

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