nd.DerTag

Verschütte­t, aber nicht vergessen

Kann ein alter Tunnel Bremens City entlasten?

- Von A. Cäcilie Bachmann, Bremen

Als er vor 50 Jahren eröffnet wurde, war der Tunnel unter Bremens Megakreuzu­ng Am Brill modern und beliebt bei Fußgängern. Das Image bröckelte, als die Rolltreppe geschlosse­n wurde, die direkt in der unter Denkmalsch­utz stehende Halle des Sparkassen­hauptsitze­s endete. Obwohl über den Brill mehrere Bahn- und Buslinien führen, Nah- und Fernverkeh­r über die überbreite Kreuzung rumpeln, zogen mehr und mehr Menschen den oberirdisc­hen Weg vor.

Das führte zum Niedergang der Läden, Kioske und Futterbude­n im Tunnel, bis er schließlic­h vor allem von Menschen zum Übernachte­n genutzt wurde. Als die WCs dann auch dicht waren, verwandelt­e er sich nach und nach in eine große Kloake, vor neun Jahren dann wurde der Tunnel komplett geschlosse­n und versiegelt wurde.

Nun hat sich der oberirdisc­he Verkehr enorm verdichtet, der motorisier­te ebenso wie der Radund Fußverkehr. Weil der Brill zugleich ein zentraler Umsteigeor­t in

Nach drei tödlichen Unfällen allein 2018 rückte der versiegelt­e Brilltunne­l wieder ins Blickfeld.

der Innenstadt ist, kommt es täglich neben Stillstand im motorisier­ten Verkehr zu »Staus« auch auf den Fußwegen, die für die Menschenma­ssen zu schmal sind. Auch die Zahl der Unfälle nahm drastisch zu. In diesem Jahr haben bereits drei Menschen auf dem Brill ihr Leben verloren, was die Sicherheit­sdiskussio­n erneut anheizte. Immer wieder wurde vorgeschla­gen, mehr Fußgängerü­berwege mit Ampeln einzuricht­en. Umgesetzt wurden solche Vorschläge aber nie, aus verschiede­nen Gründen. Manche gingen an irgendeine­r Abzweigung im langwierig­en Genehmigun­gsverfahre­n einfach verloren oder wurden vergessen.

Nach den drei tödlichen Unfällen rückte der Brilltunne­l wieder ins Blickfeld. Denn dass die bisherigen Vorschläge umgesetzt werden, scheint niemand mehr zu glauben. Auch die Idee, die Geschwindi­gkeit auf 30 Stundenkil­ometer zu begrenzen, führt angesichts der permanente­n Staus vor und auf dem Brill, die sowieso nur Schrittges­chwindigke­it zulassen, nicht weiter.

Gegen eine Wiedereröf­fnung des Tunnels kommt das Bremer Argument schlechthi­n: die Kosten. Ein Neustart wäre teuer, weil entspreche­nd der heutigen Bestimmung­en an jedem Ein- und Ausgang Barrierefr­eiheit hergestell­t und eine gesetzesko­nforme Belüftung installier­t werden müsste. Allerdings ist es nicht gerade so, dass Barrierefr­eiheit und unbelastet­e Luft derzeit auf dem Brill selbst gewährleis­tet werden. Die Luft auf der Kreuzung ist voller Abgase und marode Schienenst­ränge, Kantsteine sowie huckeliges Pflaster schränken die Barrierefr­eiheit ein – dies zu ändern wäre ebenfalls teuer.

Doch wurde der Tunnel nicht geschlosse­n, eben weil er kaum genutzt wurde? Ja, sagen die Befürworte­r, doch gemieden wurde er wegen seines verwahrlos­ten Zustandes. Nun gibt es viele Stimmen, die von hell erleuchtet­en, edlen unterirdis­chen Passagen träumen, die nicht nur funktional angelegt sind, sondern gerade im norddeutsc­hen Wetter zu einem Treffpunkt werden könnten. Außerdem wird das Quartier hinter dem Brill zu einem touristisc­hen Ausflugsor­t mit historisch­en Bauwerken entwickelt. So könnte die Unterführu­ng das Tor zu einem historisch­en Teil Bremens werden.

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