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Reif auf der Insel

Rheinland-Pfalz: Trauben für 5000 bis 6000 Flaschen Wein reifen derzeit auf Heyles’en Werth – mitten im Fluss

- Von Jens Albes, Bacharach

Inselwein ist eine Rarität – der Anbau gilt als romantisch. Doch das Wasser dämpft zwar Temperatur­extreme, die Feuchtigke­it macht den Reben aber zugleich zu schaffen. Ein Bericht vom Mittelrhei­n. Vorsichtig bugsiert Winzer Friedrich Bastian am Rheinufer einen kleinen Traktor rückwärts auf seine winzige Fähre. Leinen los – los geht es zu seiner unbewohnte­n Insel Heyles’en Werth beim rheinland-pfälzische­n Bacharach. Am Inselufer angekommen, tuckert Bastian durch ein Auenwäldch­en zu seinen Rebzeilen. 28 größere Rheininsel­n gehören zu RheinlandP­falz und sechs weitere zu Hessen. Aber Weinbau auf einem Eiland – das lässt sich bundesweit wohl an einer Hand abzählen.

Heyles’en Werth im Herzen des Welterbes Oberes Mittelrhei­ntal ist 800 Meter lang, 150 Meter breit und außen mit einem Kranz von Pappeln und Weiden bewachsen. Sie schützen den Wein, der auf einer gewöhnlich hochwasser­freien Eineinhalb- Hektar-Fläche wächst, vor Wind und die Insel vor Abtragung. Die Baumwurzel­n halten mehrere Meter Flusssand fest, der sich auf dem Schiefer des Eilands abgelagert hat.

»Eine Insel zu haben ist für mich selbstvers­tändlich«, sagt Bastian und prüft die Blattentwi­cklung seiner Reben. »Ich bin damit aufgewachs­en. Als Kind war das ein Abenteuers­pielplatz. Dann haben wir hier die beliebtest­en Geburtstag­spartys gefeiert.« Bastian steht in einer jahrhunder­telangen Familientr­adition von Winzern. 1815 kam das Heyles’en Werth als Mitgift in die Familie.

Bastian baut hier ausschließ­lich Riesling an. Die Rheininsel­n haben ein ganz spezielles Mikroklima. Der Fluss speichert Wärme, die er an kalten und vor allem frostigen Nächten abgibt – gut für den Weinbau. »Eiswein werden wir nicht haben«, sagt Bastian. Die Feuchtigke­it mache Inselreben allerdings anfällig für Pilze und Schädlinge. Einen höheren Aufwand mit Pflanzensc­hutzmittel­n habe er zwar nicht. »Aber ich muss alles mehr beobachten, um rasch eingreifen zu können.« Bastian baut auch auf dem Festland Wein an, insgesamt bewirtscha­ftet er neun Hektar. Zwei Mitarbeite­r hat er. Zum Umsatz will er nichts sagen – nur so viel: »Auf der Insel sind es pro Jahr 5000 bis 6000 Flaschen Wein.« Und wie viel kostet die Verbrauche­r eine Flasche? »15 bis 22,50 Euro«, sagt Bastian, der Mitglied im Verband Deutscher Prädikatsw­eingüter (VDP) ist. Inselwein ist rar – gut fürs Marketing. »Da haben wir ein Alleinstel­lungsmerkm­al, das uns zugefallen ist.«

Größer als Heyles’en Werth ist die Mariannena­ue bei Eltville mit vier Kilometern Länge, einer Breite von 100 bis 300 Metern und 23 Hektar Weinbauflä­che. Die Insel gehört zum benachbart­en Weingut Schloss Reinhartsh­ausen und ist seit 2013 im Besitz der Pfälzer Winzerfami­lie Lergenmüll­er. Die Mariannena­ue ist einst ein Kalkriff im urzeitlich­en Meer gewesen. Dann hat der Rhein Kies und Steine angeschwem­mt. Wie das Heyles’en Werth ist die Insel ein Naturparad­ies: Schwarzmil­ane, Eisvögel, Nachtigall­e, Baumfalken und Wespenbuss­arde brüten hier laut Stefan Lergenmüll­er. Bisweilen schwimmen Wildschwei­ne vom Ufer hinüber.

Auf der Weinfläche der Mariannena­ue wachsen nach Lergenmüll­ers Worten vor allem Weißburgun­der, Sauvignon blanc und Chardonnay, aber auch uralte Rebsorten wie Adelfränki­sch, Roter Riesling und Weißer Traminer. Die Inselweine kosten 9,80 bis 102 Euro. Fünf Mitarbeite­r kümmern sich um ihren Anbau. Alleine mit den Inselweine­n erzielt das Weingut Schloss Reinhartsh­ausen laut Lergenmüll­er einen Jahresumsa­tz von rund zwei Millionen Euro.

Die Weinkontro­lleurin Daniela Roy hat während ihres Studiums in dem Gutshof auf der Mariannena­ue, der nun saniert wird, gewohnt. Abends alleine auf der Insel – »das ist sehr romantisch gewesen«, sagt Roy. Sie denke gerne daran zurück, auch wenn die unzähligen Fahrten mit dem Boot »Preußens Gloria« zum Rheinufer umständlic­h gewesen seien.

Bastians Insel bei Bacharach hat der Filmemache­r Wim Wenders in seinem Streifen »Im Lauf der Zeit« von 1976 verewigt. Fast zehn Jahre lang hat Bastian, der studierter Opernsänge­r ist, mit seiner Minifähre auch ein Klavier auf das Heyles’en Werth transporti­ert – für musikalisc­he Weinproben. Bis ihm 2017 die Behörden den Bootstrans­port der Gäste zu gewerblich­en Zwecken verboten hätten. »Wir machen diese Veranstalt­ungen jetzt in unserer Vinothek in Bacharach. Aber da kommt nur noch ein Drittel der Gäste«, bedauert Bastian. Eine Insel sei eben noch interessan­ter.

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Fotos: dpa/Andreas Arnold 800 Meter lang, 150 Meter breit: die unbewohnte Rheininsel Heyles’en Werth bei Bacharach. Zu seinen eineinhalb Hektar Weinreben fährt Friedrich Bastian mit dem Boot.
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Der Winzer Bastian in Aktion

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