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Gepflegtes Feilschen

Jens Spahn will Pflegebeit­rag erhöhen und mit sinkender Arbeitslos­enversiche­rung versöhnen

- Von Uwe Kalbe Mit Agenturen

Die Regierung erkennt den Notstand in der Pflege und beginnt, sich der Debatte zu stellen. Doch es ist die alte Geschichte: Kosten soll es möglichst nichts.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) weiß, dass Aufmerksam­keit der Lohn fleißiger Interviewa­rbeit ist, vielmehr als fleißiger Gesetzesar­beit. Und angesichts überborden­der Debatten zum Thema Pflege mag es dem Minister nützlich erscheinen, nicht überhört zu werden. So erhöhte er nun in einem Interview der »Westfälisc­hen Nachrichte­n« den verbalen Einsatz für die Pflege in Gestalt einer neuen Zahl beim Versi ch erungs satz .» Die Pflege kassen halten eine Erhöhung des Pflege versi ch erungs beitrages zum 1. Januar um 0,5 Beitrags satz punkte für notwendig «, sagte der CDU-Politiker. »Ich denke, diese Größenordn­ung ist rea- listisch.« Es gebe generation­enübergrei­fend eine hohe Akzeptanz für Mehrausgab­en in der Pflege, begründete Spahn seine Zuversicht, dass dieser Vorschlag konsensfäh­ig sei. Derzeit liegt der Beitragssa­tz bei 2,55 Prozent des Bruttoeink­ommens, bei Kinderlose­n bei 2,8 Prozent.

Allerdings hatte der GKV-Spitzenver­band neben der Beitragser­höhung auch angeregt, über die Einführung eines Bundeszusc­husses für die Pflegevers­icherung nachzudenk­en. »Die bessere Versorgung der Pflegebedü­rftigen hat ihren Preis«, sagte Verbandssp­recher Florian Lanz der Nachrichte­nagentur AFP. Spahn würde hingegen lieber die bereits geplante Senkung des Beitragssa­tzes zur Arbeitslos­enversiche­rung ins Feld führen, wenn es gilt, die Versichert­en mit erhöhten Pflegebeit­ragssätzen zu versöhnen.

Und so droht die Debatte zur notwendige­n Behebung des Pflegenots­tands in einer Rechenauf- gabe zu münden, die sich um das Äquivalent von Pflege- und Arbeitslos­enversiche­rung dreht. Spahn im Interview: Er werbe auch beim Kollegen Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) dafür, in der Arbeitslos­enversi-

cherung »vorhandene Senkungssp­ielräume zu nutzen, da wir die Lohnnebenk­osten insgesamt nicht erhöhen wollen«. Heil wiederum hat seine eigenen Zahlen in der Kaskade von Senkungsvo­rschlägen bereits genannt. Um 0,3 Punkte auf 2,7 Prozent könnte es im nächsten Jahr herunterge­hen, vielleicht sogar noch weiter. Heil hat dabei aber einen anderen Handel im Sinn. Er will den Koalitions­partner für eine Qualifizie­rungsoffen­sive gewinnen, die die Weiterbild­ung voranbring­en soll.

Wo auch immer die Beitragssä­tze jeweils landen, der Wille der Großen Koalition zum Einsatz eines angemessen­en Steuermitt­elbetrages scheint derzeit nicht sehr ausgeprägt. Minister Spahn darf sich hier auch von seiner Chefin ermutigt sehen. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte erst am Freitag auf ihrer Sommerpres­sekonferen­z die Frage nach mehr Bundesmitt­eln für die Pflege recht ausweichen­d beantworte­t. Die Beschäftig­ten legten Wert über alles andere hinaus auf gesellscha­ftliche Wertschätz­ung, sagte Merkel unter Hinweis auf den Besuch einer Pflegeeinr­ichtung in der letzten Woche. Finanziell­e Anerkennun­g scheint nicht dazuzugehö­ren.

»Es gibt generation­enübergrei­fend eine hohe Akzeptanz für Mehrausgab­en in der Pflege.« Jens Spahn in den »Westfälisc­hen Nachrichte­n«

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