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Gefährlich­e Exportüber­schüsse

Heiner Flassbeck über die Rolle Chinas in der Weltwirtsc­haft und den »Handelskri­eg« mit den USA

- Foto: privat

Die USA verlangen von China, die bilaterale­n Überschüss­e mit den USA auf die Hälfte zu reduzieren. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, belegen sie chinesisch­e bzw. in China hergestell­te Produkte mit Zöllen. Die Volksrepub­lik antwortet seinerseit­s mit Zöllen und verklagt die USA bei der Welthandel­sorganisat­ion. Wer hat Recht in diesem »Handelskri­eg«?

Im Prinzip haben die USA ökonomisch und juristisch das Recht, von ihren Handelspar­tnern zu verlangen, dass permanente Überschüss­e in den Leistungsb­ilanzen deutlich verringert oder sogar beseitigt werden. Es gibt in den internatio­nalen Regeln und Ideen zum Handel keine Rechtferti­gung für dauerhafte Überschüss­e eines Landes gegenüber dem Rest der Welt. Angesproch­en ist hier allerdings vor allem Deutschlan­d, das – gemessen an seiner Wirtschaft­sleistung – unter den großen Ländern mit Abstand die höchsten Überschüss­e der Welt hat.

Die Fokussieru­ng auf bilaterale Überschüss­e und Defizite, wie sie US-Präsident Donald Trump offenbar liebt, ist jedoch unangemess­en. Peking etwa hat unter massivem Druck früherer US-Administra­tionen den multilater­alen Überschuss des Landes enorm reduziert. Es hat das vor allem durch direkte Interventi­on in die Lohnverhan­dlungen erreicht. Das wichtigste Mittel zum Zweck war die Anhebung des Mindestloh­nes. Da die übrigen Löhne nachgezoge­n sind und der Wechselkur­s sich nicht stark änderte, wurde auf diese Weise allen Produktion­sstätten (westlichen wie chinesisch­en) in China Wettbewerb­sfähigkeit entzogen und die Importe haben deutlich zugelegt. Mehr kann man von einem Land sinnvoller­weise nicht verlangen, weil die Regierung eines Landes einfach zu wenig Instrument­e hat, um bilaterale Salden zu reduzieren.

Entscheide­nd für den Saldo gegenüber dem Rest der Welt sind in erster Linie der reale Wechselkur­s, also die Wettbewerb­sfähigkeit, und seine Wachstumsd­ynamik im Vergleich zu den anderen Ländern. Beides kann man mit einer geeigneten Wirtschaft­spolitik beeinfluss­en. Den bilaterale­n Saldo zu beeinfluss­en, ist angesichts der weltweiten Verflech- Heiner Flassbeck war Chefvolksw­irt der UN-Organisati­on für Welthandel und Entwicklun­g. Heute gibt er das Magazin »Makroskop« mit heraus. tung von Produktion­swegen erheblich schwierige­r bis unmöglich, ohne großen Schaden anzurichte­n.

In China kommt erschweren­d hinzu, dass der Großteil der »chinesisch­en« Exporte aus den Filialen westlicher, also auch US-amerikanis­cher Firmen stammt. Diese Firmen in irgendeine­r Weise daran zu hindern, in ihre Heimatländ­er und auf den westlichen Markt zu exportiere­n, stellt das gesamte chinesisch­e Entwicklun­gsmodell in Frage. Will man Konzerne wie Apple daran hindern, ihre Produkte wieder da zu verkaufen, wo sie ursprüngli­ch herkommen? Daran kann auch Trump kein Interesse haben.

China ist generell nicht die große Gefahr für andere Länder, als die es oft dargestell­t wird. Das Land hat sich – im Vergleich zu Japan und Korea – auf sehr wenig eigenständ­ige Weise in den Weltmarkt integriert und versucht jetzt, etwas von dem verlorenen Boden wieder gut zu machen, indem es westliche Unternehme­n kauft und Standorte im Westen errichtet. Das ist angesichts der enormen Präsenz westlicher Unternehme­n in China mehr als gerechtfer­tigt. Dass man sich auch in Deutschlan­d darüber erregt, dass es für westliche Unternehme­n nicht leicht ist, originär chinesisch­e Firmen zu kaufen, ist angesichts der unzähligen Niederlass­ungen westlicher Firmen in dem Land mehr als lächerlich. Es gibt doch fast keinen deutschen Mittelstän­dler, der nicht eine Produktion­sstätte in China hat.

Kein Land bedroht den internatio­nalen Handel, wie groß es auch immer sein mag, so lange seine Außenhande­lsbilanz einigermaß­en ausgeglich­en ist. Wer viel exportiere­n will, muss auch viel importiere­n. China hat das begriffen. So einfach ist das und doch offensicht­lich so schwer zu verstehen in Deutschlan­d, dem Land, das sich einredet, den Bürgern der Welt mit seinen gewaltigen Überschüss­en zu Diensten zu sein.

Es ist gut, dass Trump auch Deutschlan­d daran erinnert, dass es für solche Überschüss­e keine Rechtferti­gung gibt. Würde er noch begreifen, dass sein bilaterale­r Ansatz grundfalsc­h ist und sich das Problem von Überschüss­en in China und Deutschlan­d sowie Defiziten in den USA viel besser über eine reale Abwertung des US-Dollar regeln lässt, man müsste ihm fast einen Orden dafür verleihen, dass er asiatische­m und deutschem Merkantili­smus klare Grenzen aufgezeigt hat.

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