nd.DerTag

Zukunft von »Sophia« ungewiss

EU-Marinemiss­ion steht zur Dispositio­n

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Berlin. Die libysche und die maltesisch­e Küstenwach­e haben am Wochenende erneut Dutzende Migranten in Seenot aus dem Mittelmeer gerettet. Die Schiffe der italienisc­hen Küstenwach­e blieben dagegen in den Häfen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen des Transportm­inisterium­s in Rom erfuhr. Unklar blieb am Sonntag, wie es mit der EU-Marinemiss­ion »Sophia« weitergeht. Mit ihrer Drohung, italienisc­he Häfen für Schiffe der Operation vor der libyschen Küste zu sperren, hatte die Regierung in Rom eine sofortige Überprüfun­g der Mission erzwungen. In einer nächtliche­n Rettungsak­tion brachte der maltesisch­e Küstenschu­tz 19 Migranten rund 50 Seemeilen südlich von Malta in Sicherheit. Das aus Libyen kommende Boot sei gekentert, kurz nachdem die Migranten mit Schwimmwes­ten versorgt worden seien, teilten die maltesisch­en Streitkräf­te am Sonntag mit. Aus Kreisen in Rom war am Sonntag von weiteren 120 Migranten die Rede, die an Bord eines Schlauchbo­ots 35 Meilen von der libyschen Küste entfernt von der Küstenwach­e des Landes gerettet worden sein sollen. Bereits am Samstag seien 59 Menschen in der maltesisch­en Such- und Rettungszo­ne – ebenfalls von den Libyern – gerettet worden. Sie sollten nach Malta gebracht werden.

Die Seenotrett­ung durch private Helfer und EU-Schiffe in den internatio­nalen Gewässern nahe der libyschen Küste ist dagegen weitgehend zum Erliegen gekommen. Die neue populistis­che Regierung in Rom hatte mehrfach Schiffe mit geretteten Bootsflüch­tlingen blockiert und Hilfsorgan­isationen die Einfahrt in Häfen verwehrt.

Medienberi­chten zufolge wollen sowohl die Helfer von Proactiva Open Arms als auch von SOS Méditerran­ée und Ärzte ohne Grenzen demnächst in die Rettungszo­ne zurückkehr­en. Das Rettungssc­hiff »Aquarius« liegt derzeit in Marseille, von wo es Ende des Monats aufbrechen soll, wie die Nachrichte­nagentur Ansa einen Freiwillig­en von SOS Méditerran­ée zitierte.

Das drastische Vorgehen der Italiener bei der Seenotrett­ung rief am Wochenende empörte Reaktionen hervor. Papst Franziskus rief die internatio­nale Gemeinscha­ft in einem eindringli­chen Appell dazu auf, weitere Flüchtling­stragödien im Mittelmeer zu verhindern. Auch in der deutschen Politik wurden angesichts der unklaren Perspektiv­e für die EU-Mission »Sophia« Forderunge­n nach einer raschen Einigung lauter. Bundestags­vizepräsid­entin Claudia Roth (Grüne) sagte der »Bild am Sonntag«: »Unsere Humanität droht im Mittelmeer zu ertrinken.« Das Mittelmeer sei inzwischen zu einem »Meer des Todes« verkommen. Auch der CDU-Europaabge­ordnete Elmar Brok sprach von einem »Tiefpunkt der Menschlich­keit«. Es sei ausdrückli­ch Teil des Auftrags der EU-Mission, auch Menschenle­ben zu retten. »Offensicht­lich zählt für die italienisc­he Regierung nur noch der Beifall beim heimischen Publikum, nicht mehr Recht und Menschlich­keit«, sagte Brok den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe.

Eine große Mehrheit der Deutschen hält es einer Umfrage zufolge aber für richtig, dass private Hilfsorgan­isationen Flüchtling­e im Mittelmeer retten. 75 Prozent äußerten sich in einer Emnid-Erhebung für die »Bild am Sonntag« entspreche­nd - 21 Prozent halten das Einschreit­en für falsch. Den Vorwurf, die Seenotrett­er unterstütz­ten das Geschäft der Schlepper, hält eine Mehrheit (56 Prozent) für unberechti­gt.

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