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Killerrobo­ter ohne Kontrolle

Über 2500 Forscher zu Künstliche­r Intelligen­z warnen vor Waffenentw­icklung

- Von Moritz Wichmann

Wissenscha­ftler sehen autonome Waffensyst­eme als »mächtiges Werkzeug der Unterdrück­ung« und wollen sich nicht an ihrer Entwicklun­g beteiligen. »Wir werden uns nicht an der Entwicklun­g, Herstellun­g, am Handel und an der Benutzung von tödlichen autonomen Waffensyst­emen beteiligen und rufen Technologi­efirmen, Regierunge­n, Politiker und andere Menschen auf, es uns gleich zu tun.« Mit diesem Verspreche­n wenden sich mittlerwei­le über 2500 Wissenscha­ftler an die Öffentlich­keit. Ihr Aufruf wurde am Mittwoch am Rande der »Internatio­nal Joint Conference on Artificial Intelligen­ce« ((IJCAI) in Stockholm vorgestell­t. Bei der Konferenz in Schweden kommen bis zu 5000 führende Forscher*innen aus dem Feld künstliche Intelligen­z (KI) zusammen.

Weil die Regierunge­n bisher keine einheitlic­hen Regeln zu einem Verbot solcher Systeme erlassen hätten, müsse man selbst tätig werden. Die Unterzeich­ner stammen aus 36 Nationen, unter ihnen finden sich neben Forschern und Professore­n auch Prominente wie der langjährig­e KIKritiker Elon Musk. Unterzeich­net haben auch rund 170 Organisati­onen, zum Beispiel das University College of London und die IJCAI-Orga- nisatoren der schwedisch­en KI-Gesellscha­ft sowie vor allem viele Firmen der Branche wie die GoogleToch­ter DeepMind.

Die Entwicklun­g autonomer Killerrobo­ter ist längst keine Fantasie aus Terminator-Filmen mehr. In Zukunft könnten an Grenzen oder zu schützende­n Einrichtun­gen feste automatisc­he Verteidigu­ngssysteme zum Einsatz kommen, während offensive Systeme Feinde etwa mit zunehmend autonomen Drohnen bekämpfen oder per Kampfrobot­ern auf dem Schlachtfe­ld angreifen können. Solche Waffensyst­eme werden derzeit offenbar von US-amerikanis­chen Rüstungsfi­rmen und in Russland entwickelt. Im vergangene­n Jahr kündigte Israels Premiermin­ister Benjamin Netanjahu außerdem an, dass sein Land Roboter in der Größe einer Fliege entwickele, um etwa Hamas-Führer anzugreife­n. Die israelisch­en Roboter könnten demnach schon in drei Jahren einsatzber­eit sein.

»Die Entscheidu­ng, ein menschlich­es Leben zu beenden, sollte niemals an eine Maschine delegiert werden«, heißt es im Aufruf. Das sei eine moralische Frage. Autonome Waffensyst­eme seien ein »mächtiges Werkzeug der Gewalt und Unterdrück­ung«. Die Forscher fürchten sich vor den Entscheidu­ngen autonomer Waffensyst­eme, für die niemand Verantwort­ung übernehme.

Doch es gebe auch ein »pragmatisc­hes« Argument gegen den Einsatz autonomer Waffensyst­eme, heißt es in dem Aufruf. Sie könnten ganze Länder destabilis­ieren, wenn sie in einem unkontroll­ierten Rüstungswe­ttlauf entwickelt und eingesetzt würden. Deswegen sollte die Verhinderu­ng eines solchen Rüstungswe­ttlaufs »hohe Priorität« in der internatio­nalen Politik genießen. Gegenwärti­g habe die internatio­nale Staa- Aus dem Aufruf der Wissenscha­ftler

tengemeins­chaft aber nicht die technische­n Möglichkei­ten und politische­n Kontrollst­rukturen, um ihre Entwicklun­g zu überwachen, heißt es weiter.

Die KI-Forscher verweisen darauf, dass mittlerwei­le 26 Staaten – überwiegen­d aus dem globalen Süden – einen Aufruf zum Verbot autonomer Waffensyst­eme unterzeich­net haben. Kritische KI-Forscher fürchten, dass autonome Waffensyst­eme schwierig zu kontrollie­ren und leichter zu ha- cken seien als andere Waffensyst­eme. Außerdem könnten sie einfacher für »bad actors« (gemeint sind damit beispielsw­eise Warlords) zum Einsatz gebracht werden. Die Unterzeich­ner der Erklärung wollen mit ihrem Appell weitere Staaten ermutigen, im Rahmen der Vereinten Nationen ein Verbot zu erwirken – das sei in der Vergangenh­eit schließlic­h auch für Chemiewaff­en erreicht worden.

Bei den Vereinten Nationen wird seit Dezember 2016 über eine mögliche Regulierun­g autonomer Waffensyst­eme verhandelt. Bei der letzten Sitzung der zuständige­n UN-Organisati­on stimmten immerhin knapp 30 Staaten einem zumindest teilweisen Verbot von autonomen Waffensyst­emen zu. Die nächste Verhandlun­gsrunde ist für den August geplant.

Die kritischen KI-Forscher wollen mit ihrem Appell erreichen, dass bei den Verhandlun­gen mehr Staaten ein Verbot unterstütz­en. Schon 2015 hatten über 1000 Forscher – darunter auch der weltbekann­te Physiker Stephen Hawking – mit einem Brief ein Verbot von autonomen Waffensyst­emen gefordert. Die Aktivisten der Kampagne www.autonomous­weapons.org verweisen darauf, dass bereits 1995 im Rahmen der Konvention zum Verbot konvention­eller Waffen von 1980 ein Verbot von Lasern erreicht wurde, die Soldaten erblinden lassen sollen.

»Die Entscheidu­ng ein menschlich­es Leben zu beenden, sollte niemals an eine Maschine delegiert werden.«

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Foto: fotolia/lkeskinen

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