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Noch lange nicht besiegt

Marginalis­ierte Menschen sind weiterhin am schlechtes­ten vor HIV und Aids geschützt

- Von Ulrike Henning

National angepasste Maßnahmen gegen HIV und Aids gehören neben steigenden Infektions­zahlen in Osteuropa zu den Themen der 22. WeltAids-Konferenz.

Die 22. Welt-Aids-Konferenz findet ab Montag bis zum 27. Juli in der niederländ­ischen Hauptstadt Amsterdam statt. Es handelt sich um die weltweit größte und wichtigste Veranstalt­ung zu HIV und Aids mit mehr als 15 000 Teilnehmer­n. Unter dem Motto »Breaking Barriers, Building Bridges« soll daran gearbeitet werden, allen Menschen den Zugang zum HIV-Test, zu Prävention und medizinisc­her Behandlung zu ermögliche­n. Außerdem soll gegen die Stigmatisi­erung von Betroffene­n vorgegange­n werden.

Noch in der vergangene­n Woche hatte UNAIDS davor gewarnt, dass die HIV-Infektions­zahlen in mehr als 50 Ländern anstiegen. Bisherige Erfolge und künftige Ziele seien durch Finanzieru­ngslücken bedroht. Zum Beispiel geht die Zahl der Neuinfekti­onen zu langsam zurück, um das UNAIDS-Ziel von nur 500 000 im Jahr 2020 zu erreichen. Vor allem Maß- nahmen für die am stärksten gefährdete­n Gruppen seien nötig. In Osteuropa stiegen die Infektions­zahlen drastisch, vor allem in Russland. Dort würden die Bedürfniss­e bestimmter Zielgruppe­n, darunter schwule Männer und Drogenkons­umierende, ignoriert und zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen eher behindert. Die Situation in Osteuropa wird einer der Schwerpunk­te der Konferenz sein.

Im Vorfeld der Veranstalt­ung warnten Experten bereits, dass der angestrebt­e Sieg über die Immunschwä­che Pandemie bis 2030 nicht zu erreichen sei. Zwar hatte der zunehmende Einsatz der antiretrov­iralen Therapie in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n geholfen, HIV/AIDS weltweit zurückzudr­ängen, jedoch sind global weiterhin 38,5 Millionen Menschen infiziert. 2016 waren immer noch eine Millionen Menschen an Aids gestorben. Seit Beginn der Seuche in den 1980er Jahren starben 35 Millionen Menschen.

Nach Meinung der Fachleute müsse die Anti-Aids-Strategie angepasst werden. »Weltweit entfallen 44 Prozent der HIV-Infektione­n auf gesellscha­ftlich marginalis­ierte Gruppen (homosexuel­le und bisexuelle Männer, Personen, die Drogen injizieren, Sexarbeite­r, Transgende­r und die Sexualpart­ner von Angehörige­n dieser Gruppen). Das Gesundheit­ssystem kommt nicht gut an diese Personen heran«, hieß es etwa in einer Aussendung der medizinisc­hen Fachzeitsc­hrift »Lancet«.

Eine weitere vernachläs­sigte Zielgruppe in den Gesundheit­ssystemen vieler Länder seien Jugendlich­e. So hätten im südlichen Afrika gerade 15bis 24-jährige Frauen das größte Infektions­risiko, Aids sei in dieser Gruppe die vierthäufi­gste Todesursac­he. Allgemein reduziert sich die Zahl der Neuinfekti­onen bei jungen Frauen und Männern langsamer als bei Älteren. Problemati­sch ist außerdem, dass die Summe der aufgebrach­ten Finanzmitt­el von etwa 16,3 Milliarden Euro jährlich seit längerem stagniert. Pro Jahr würden nach Meinung der Fachleute fast sechs Milliarden Euro mehr gebraucht.

Die Tendenz könnte in Zukunft dahin gehen, in jedem Land unterschie­dliche, angepasste Strategien anzuwenden. In einem Land wie Russland könnte die Epidemie unter den intravenös Drogen konsumiere­nden Suchtkrank­en durch die Bereitstel­lung der antiretrov­iral wirkenden Medikament­e und durch Nadel- tauschprog­ramme um die Hälfte gesenkt werden. An vorderster Stelle der entspreche­nden Maßnahmen sollte neben ihrer Intensivie­rung die Einbindung in das Gesundheit­swesen des Landes stehen.

In Deutschlan­d ist die Situation nach Schätzung der Deutschen Aidshilfe weitgehend stabil. Etwa 3100 Menschen infizieren sich jedes Jahr, eine im internatio­nalen Vergleich geringe Zahl. Die Aidshilfe begrüßte die Absicht von Gesundheit­sminister Jens Spahn, für Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko einen gesetzlich­en Anspruch auf die Prophylaxe-Medikation PrEP zu schaffen. Auf diesem Wege könnten zahlreiche Neuinfekti­onen verhindert werden. Die Aidshilfe fordert darüber hinaus die medizinisc­he Versorgung von Menschen ohne Papiere und mehr hygienisch­e Drogenkons­umräume.

Sorge bereitet in Deutschlan­d die hohe Zahl von 13 000 Menschen, die unwissentl­ich mit HIV leben. Mehr als 1000 Menschen erkranken in Deutschlan­d jedes Jahr an Aids oder einem schweren Immundefek­t, obwohl das bei rechtzeiti­ger Diagnose und Behandlung vermeidbar wäre. Unbehandel­t bleibt HIV zudem übertragba­r.

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Foto: dpa/Dai Kurokawa Ein junger Mann malt in einem Slum in Kenias Hauptstadt Nairobi eine Aids-Schleife an eine Hauswand.

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