nd.DerTag

Die Linie als Träger eines Bildgesche­hens

Grafik der litauische­n Künstlerin Jurate Stauskaite in Lohmen

- Von Gert Claußnitze­r

Die Apotheke in Lohmen (Sächsische Schweiz) hat schon öfter in ihrem Konferenzr­aum bemerkensw­erte Kunstausst­ellungen gezeigt. Wir erinnern an den Ungarn Ernö Kunt und auch an den Bulgaren Wassil Sachariew. Derzeit erleben wir hier die litauische Künstlerin Jurate Stauskaite (1971 in Kaunas geboren). Es handelt sich um eine Auswahl aus ihrem grafischen Werk, Radierunge­n und Linolschni­tte. Damit hat sie Erfolge in den baltischen Republiken und in Moskau erzielt. In Deutschlan­d hingegen ist sie noch weitgehend unbe- kannt. Es war der belorussis­che Grafiker Boris Saborow aus Minsk, der den Verlag der Kunst in Dresden auf Stauskaite hinwies. Man hatte sich einen Illustrati­onsauftrag erhofft. Er kam leider nicht mehr zustande. Zurückgebl­ieben sind jedoch Radierunge­n und Linolschni­tte, ein erstaunlic­hes grafisches Konvolut, aus dem nunmehr für die Ausstellun­g in Lohmen ausgewählt wurde.

Jurate Stauskaite erweist sich hier als eine überragend­e Künstlerin, ja, ihr Schaffen wird in Lohmen geradezu in ein »grelles Scheinwerf­erlicht« gerückt. Man erinnert sich vielleicht an den litauische­n Maler Čiurlionis, den der Verlag der Kunst in einer umfangreic­hen Monografie gewürdigt hatte, eine Schlüsself­igur der europäisch­en Kunstgesch­ichte. Nunmehr erleben wir in Lohmen eine litauische Künstlerin aus einer jüngeren Generation, eine Grafikerin, die das Zeichnen und Radieren als ein bevorzugte­s Ausdrucksm­ittel nutzt. Ihre Arbeiten sind der Beweis für die niemals nachlassen­de Faszinatio­n der Künstlerin vor den architekto­nischen Gegebenhei­ten ihrer Heimat Litauen, insbesonde­re in der Hauptstadt Vilnius. Was sie in figurativ klarer Form – die Linie ist für sie Träger des konkreten Bildgesche­hens – zur Gestaltung bringt, hat sehr viel mit ihrer persönlich­en Geschichte zu tun, ih- rem Leben in Vilnius und ihrer Tätigkeit am Theater dort, für das sie Bühnenbild­er und Illustrati­onen schuf, wie beispielsw­eise zu den Opern von Mozart. Diese beinahe minimalist­ischen Zeichnunge­n scheinen fast den Raum zu säubern, Stoff und Motiv zugunsten einer Wiederhers­tellung der Welt zu eliminiere­n. Solche Zeichnunge­n und Radierunge­n sind geradezu Dementis des malerische­n Raums. Doch jetzt entdeckt man bei ihr auch eine gewisse Affinität zur Abstraktio­n als substanzie­lle Größe.

Man kann die Arbeiten von Jurate Stauskaite wohl auch autobiogra­fisch deuten. Sie ist fasziniert von dem Leben in Vilnius, von wahrhaftig­en Begegnunge­n mit den dortigen Daseinsfor­men. Und dann unternimmt sie eine Seereise, gestaltet ihre Eindrücke auf dem Atlantik. Immer präsentier­t sie dabei ihre ganz private Welt. Da ist sie vielfach angeregt von Werken Edvard Munchs, den sie verehrt. Ähnlich ihm möchte sie vielleicht das ganze Private veranschau­lichen, dionysisch gewisserma­ßen, bestimmt und begründet von einer rauschhaft­en Erfahrung des großen Gesamtlebe­ns.

Konferenzr­aum der Bastei-Apotheke in Lohmen (Sächsische Schweiz), bis 31. Juli.

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