Retter des Freihandels?
Die BRICS-Staaten wollen in die Lücke vorstoßen, die die abschottende US-Wirtschaftspolitik international gerissen hat
Ab Mittwoch diskutieren die Regierungsvertreter der BRICS-Staaten über die weitere Süd-Süd-Vernetzung. Ihr erklärtes Hauptziel ist die Stabilisierung der Weltwirtschaft.
In die globale Handelsordnung ist Bewegung gekommen. Noch vor nicht allzu langer Zeit wurden die Bemühungen der BRICS-Gruppe, die Südhalbkugel ökonomisch zu vernetzen, weitgehend als aussichtslos belächelt. Zu groß seien die Unterschiede zwischen den Teilnehmerländern, unkten Kritiker. Doch in der Ära von USPräsident Donald Trump sind skeptische Töne in den Hintergrund geraten. Denn wenn Mittwoch bis Freitag die Staats- und Regierungschefs Chinas, Indiens, Russlands, Brasiliens und Südafrikas in Johannesburg zum zehnten BRICS-Gipfel zusammentreffen, geht es nicht mehr um ein Gegenmodell zur Globalisierung westlicher Prägung – sondern um die Rettung des Freihandels.
Die Führungen der BRICS-Staaten arbeiteten daran, »multilaterale Zusammenarbeit und das multilaterale Handelssystem mit der Welthandelsorganisation als dessen Kern gemeinsam zu schützen und unilateralen Aktionen und Protektionismus klar entgegenzutreten«, erklärte Chinas VizeAußenminister Zhang Jun vergangene Woche. Die BRICS-Gruppe müsse »die Wirtschaftsglobalisierung standfest unterstützen«, ergänzte derweil Pekings Finanzminister Liu Kun. Klar ist: Die Volksrepublik will den BRICSGipfel für eine gemeinsame Antwort auf die Abschottungspolitik der USRegierung nutzen. Gleichzeitig besteht durch den graduellen Rückzug der USA aus dem internationalen Handel ein Freiraum, der es den Volkswirtschaften des Südens ermöglicht, ihren Einfluss auszubauen.
BRICS hat dabei in den vergangenen Jahren bewiesen, dass es ein handlungsfähiges Format ist. Das anstehende Treffen in Johannesburg werde »nicht bloß eine simple Gesprächsrunde«, erklärte Südafrikas BRICS-Botschafter Anil Sooklal vergangene Woche. Er verwies auf eine Untersuchung der BRICS Research Group, derzufolge 70 Prozent der Beschlüsse bisheriger Gipfeltreffen umgesetzt wurden. Die bisher wichtigste Institution, die die Staatengruppe geschaffen hat, ist die gemeinsame New Development Bank (NDB). Die Institution, deren Schaffung erst 2012 diskutiert worden war, hat bereits elf Großprojekte finanziert, zwölf sind in der Planungsphase, die meisten sind Infrastrukturmaßnahmen. Der diesjährige Gastgeber Südafrika hat etwa im Umfang von fünf Milliarden Rand (320 Millionen Euro) Kredite für das halbstaatliche Transportunternehmen Transnet und den Stromversorger Eskom erhalten. Kritiker bemängeln zwar, dass die Kreditvergabe den Mechanismen der Weltbank ähnele, doch die BRICS-Bank versucht nun zumindest, Auszahlungen in der Landeswährung zu ermöglichen, um die Abhängigkeit der Länder von Wechselkursschwankungen zu verringern. Als Nebeneffekt würde die internationale Wirkungsmacht des US-Dollars, der bisher bevorzugten Währung der NDB, vermindert.
Die Ambitionen der Gruppe gehen aber über die Wirtschaftspolitik hinaus, was sich auch an den Tagesordnungsvorschlägen des Gastgebers erkennen lässt. Die Südafrikaner wollen auf dem dreitägigen Gipfel neben Diskussionen zur Gestaltung der »4. Industriellen Revolution« und der Etablierung eines Forums zu Genderund Frauenrechten eine Arbeitsgruppe zu »internationalen Friedensmissionen« gründen. BRICS will sich einmischen und als globale Macht wahrgenommen werden.
Der Weg dahin ist weit, denn die politischen Differenzen zwischen den Regierungen sind groß. Die südafrikanische Staatsanwaltschaft hat Anfang Juli gar offiziell bekanntgegeben, wegen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen gegen Indiens Premierminister Narendra Modi zu ermitteln. Der Hindu-Nationalist kann in Johannesburg nur deswegen nicht verhaftet werden, weil der BRICS-Gipfel unter dem Schutz der Genfer Konvention steht. Zusammengehalten wird die Gruppe vor allem durch gemeinsame Wirtschaftsinteressen – was in der aktuellen globalen Situation jedoch bereits eine enorme Stärke zu sein scheint.
Die BRICS-Staaten wollen sich einmischen und als globale Macht wahrgenommen werden.