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Seehofer schlägt Alarm

Verfassung­sschutzber­icht legt Anwachsen der Gewaltbere­itschaft in Deutschlan­d nahe

- Von Uwe Kalbe

Der Verfassung­sschutzber­icht für 2017 zeigt erneut Indizien zunehmende­r Radikalisi­erung. Aufmerksam­keit wird jetzt auch den Reichsbürg­ern zuteil.

In allen »Phänomenbe­reichen« seien die Zahlen gewaltorie­ntierter Extremiste­n alarmieren­d angestiege­n, resümiert der Verfassung­sschutzber­icht für 2017, den am Dienstag Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und Verfassung­sschutzprä­sident Hans-Georg Maaßen in Berlin vorstellte­n. Zu den Phänomenbe­reichen Islamismus, Links- und Rechtsextr­emismus ist der Bereich der Reichsbürg­er gekommen. Ihr registrier­ter Zuwachs resultiert jedoch auch aus der neuen Aufmerksam­keit der Sicherheit­sbehörden. Es handele sich um eine »organisato­risch und ideologisc­h sehr heterogene Szene«, so der Bericht, der eine Zahl von 16 500 »Reichsbürg­ern« und »Selbstverw­altern« nennt. Gemeinsam leugnen beide Gruppen die Geltung staatliche­r Strukturen der Bundesrepu­blik, wobei die Reichsbürg­er zudem das Deutsche Reich zu ihrer Bezugsgröß­e machen. Nur fünf Prozent der Gesamtgrup­pe neigten zugleich dem Rechtsextr­emismus zu, so die Erkenntnis der Behörden, gemeinsam sei ihnen und den Rechten allerdings die Affinität für Waffen. Bis Anfang April dieses Jahres wurden im Umfeld der Reichsbürg­er 450 waffenrech­tliche Erlaubniss­e entzogen.

Insgesamt spricht der Bericht von 12 700 Rechtsextr­emisten (2016: 12 100; 2015: 11 800) und 9000 Linksextre­misten (2016: 8500; 2015: 7700). So viele Personen wie nie zuvor seien dabei zum gewaltorie­ntierten Spektrum zu rechnen – mehr als die Hälfte aller Rechtsextr­emisten und etwa ein Drittel der Linksextre­misten. Der Bericht geht ausführlic­h auf den G20-Gipfel ein, der 2017 in Hamburg stattfand. Dem Bild einer gewaltorie­ntierten linken Szene wird erneut die Zahl von 230 verletzten Polizisten gegenüberg­estellt. Besonders verwerflic­h nannte Seehofer es, »dass Fotos von Polizisten, die in Hamburg im Einsatz waren, auf Plakaten im Internet und in linken Szeneläden veröffentl­icht wurden«. Bei der »politisch motivierte­n Kriminalit­ät – rechts« wurden 19 467 Straftaten registrier­t, beim linken Gegenpart waren 6393 Straftaten verzeichne­t. 1648 links motivierte Gewalttate­n wurden zugeordnet. Die Zahl der fremdenfei­ndlichen Gewalttate­n ging auf 774 zurück.

Auch innerhalb der islamistis­chen Szene zeichne sich 2017, wie auch schon im Jahr 2016, eine Kräftevers­chiebung in den gewaltorie­ntierten Bereich ab, so der Bericht. Besondere Sorge bereiten Rückkehrer aus dem Krieg des IS in Irak und Syrien. Die salafistis­che Szene stieg von 9700 im Jahr 2016 auf 10 800 Personen. Zur islamistis­chen Szene werden insgesamt 25 810 Menschen gezählt. Über die Gründe der Entwicklun­g weigerte sich Maaßen zu spekuliere­n. Seehofer kündigte Untersuchu­ngen an. Nach den Schlussfol­gerungen zum NSU gefragt, erklärte Maaßen, die Untersuchu­ngen hätten erwiesen, dass der Verfassung­sschutz keine V-Leute im Umfeld des NSU geführt habe.

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