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Im Hintergrun­d herrscht weiter das Militär

Pakistan steht bei den Parlaments­wahlen vor einem Patt, sehr zur Freude der Generäle

- Von Gilbert Kolonko

Jahrzehnte­lang wechselten sich die Familien Sharif und Bhutto auf dem Posten des Premiermin­isters ab. Der ehemalige Kricketsta­r Imran Khan könnte das nun ändern, dafür musste er aber Kompromiss­e schließen.

Nun ist der Weg frei für Imran Khan, den Mann der Armee, hieß es auch in westlichen Medien, nachdem der ehemalige Premiermin­ister Nawaz Sharif Anfang des Monats zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Doch noch ist nichts sicher bei den Wahlen zur Nationalve­rsammlung am Mittwoch, denn auch gegen den ehemaligen Kricketsta­r Khan laufen etliche Strafverfa­hren. Dazu werden knapp die Hälfte aller Parlaments­sitze in der bevölkerun­gsreichste­n Provinz Punjab vergeben, wo immer noch Sharifs Muslim Liga PML-N die Nase vorn hat. In der zweitgrößt­en Provinz Sindh hat die andere Familienpa­rtei des Landes, die Pakistanis­che Volksparte­i PPP der Bhuttos, die Unterstütz­ung der Großgrundb­esitzer.

So ist Khan schon aus wahltaktis­chen Überlegung­en äußerst zahm geworden: Knapp 17 Jahre saß er als eine Art Ein-Mann-Partei im Parlament und beschuldig­te alle anderen Abgeordnet­en der Korruption. Genau diese unbestechl­iche Beharrlich­keit machte ihn unter der jungen Bevölkerun­g sehr beliebt, doch Wahlen auf Landeseben­e gewinnt so in Pakistan niemand. Also hat auch Imran Khan seine Partei Tehreek-e-Insaf (PTI) für die Korrupten des Landes geöffnet, damit sie ihm die benötigten Stimmen ihrer jeweiligen Untertanen bringen.

Dass die Milliardär­sfamilie Sharif korrupt ist, wusste schon vor der Verurteilu­ng Nawaz Sharifs jeder. Ins Gefängnis musste er jedoch, weil der ehemalige Zögling von General Ziaul-Haq bei seinem Amtsantrit­t 2013 ein gutes Verhältnis zu Indien anstrebte und sich schnell mit Indiens Premiere Narandra Modi traf – kurz darauf kam es in Indien wieder zu einem großen Anschlag, hinter dem der pakistanis­che Geheimdien­st ISI vermutet wurde.

Vor seiner Verurteilu­ng klagte Nawaz Sharif dann so offen wie kein Premiermin­ister vor ihm die eigene Armee an. Sharif warf den Generälen vor, sich andauernd in die Politik einzumisch­en und es zuzulassen, dass Extremiste­n aus Pakistan Anschläge in Indien verüben. Ganz unschuldig an diesen Zuständen ist Sharif jedoch nicht: Diesen Monat kam heraus, welche Rolle er im Jahr 1999 beim heimtückis­chen Angriff auf den von Indien besetzten Teil von Kaschmir gespielt hatte. Entgegen früherer Aussagen war Sharif in die Pläne des pakistanis­chen Militärs und General Musharrafs eingeweiht, einen Angriff von Freiheitsk­ämpfern vorzutäusc­hen, aber in Wirklichke­it mit pakistanis­chen Soldaten Indiens Teil von Kaschmir erobern zu wollen.

Trotzdem rechnen ihm auch die Liberalen des Landes hoch an, end- lich erkannt zu haben, dass die Armee das eigentlich­e Übel des Landes ist. Dass Sharif aus seinem Zweitwohns­itz in London zurückgeke­hrt ist, um die zehnjährig­e Haftstrafe anzutreten, dürfte seiner PML-N etliche Wählerstim­men mehr bringen.

Auch Imran Khan ist nicht der ideale Kandidat für die Armee, ist er doch bis heute der einzige namhafte pakistanis­che Politiker, der sich bei den Menschen Bangladesc­hs für die Gräueltate­n entschuldi­gte, die die pakistanis­che Armee während des Unabhängig­keitskrieg 1971 verübt hatte. Allerdings, selbst Khans Kritiker gestehen ein, dass er sich bisher nicht wie die Sharifs und Bhuttos persönlich bereichert hat. Auch wenn Khan in seiner Provinz Khyber Pakhtunkhw­a, die seine PTI seit 2013 regiert, nicht wie versproche­n den großen Wandel gebracht hat: Mit der Einführung einer Krankenver­sicherung für viele Arme in seiner Provinz und der Pflanzung von Millionen von Bäumen hat Khan gezeigt, dass er dem Land und seinen Menschen helfen möchte. Sharifs Megaprojek­t seiner Amtszeit, eine Metrobusli­nie zwischen Islamabad und Rawalpindi, fällt schon zwei Jahre nach der Fertigstel­lung auseinande­r, weil die Bauherren mehr Sand als Zement benutzt haben – auch während des augenblick­lichen Monsuns regnet es in die Busse.

Doch ob sich Khan bei den Wahlen knapp durchsetzt oder der Bruder von Nawaz Sharif, Shahbaz Sharif, ist nebensächl­ich. Die pakistanis­che Armee hat schon jetzt ihr Ziel erreicht: Keine der untereinan­der verfeindet­en politische­n Parteien des Landes wird bei den Wahlen eine Mehrheit erringen, mit der sie auch nur halbwegs regieren kann. So wird die Armee weiter im Hintergrun­d die Fäden ziehen können – schon jetzt ist sie das größte Wirtschaft­sunternehm­en des Landes. Dazu wird sie weiterhin die Feindschaf­t mit Indien pflegen, denn sie ist der Existenzgr­und für die aufgebläht­e pakistanis­che Armee.

Der südasiatis­che Atomstaat Pakistan wählt am Mittwoch ein neues Nationalpa­rlament sowie vier Regionalve­rsammlunge­n. Das Land leidet unter einer schweren Wasserkris­e und hofft auf den Nachbarn China.

Imran Khan ist bis heute der einzige namhafte pakistanis­che Politiker, der sich bei den Menschen in Bangladesc­h für die Gräueltate­n entschuldi­gte, die die pakistanis­che Armee während des Unabhängig­keitskrieg 1971 verübt hatte.

 ?? Foto: dpa/K.M. Chaudary ?? Indem er sich jahrelang als unkorrumpi­erbar inszeniert­e, erlangte der ehemalige Kricketsta­r Imran Khan das Vertrauen vor allem junger Wähler.
Foto: dpa/K.M. Chaudary Indem er sich jahrelang als unkorrumpi­erbar inszeniert­e, erlangte der ehemalige Kricketsta­r Imran Khan das Vertrauen vor allem junger Wähler.

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