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Die Wasserkris­e wird immer bedrohlich­er

Durch die Hochgebirg­e hat die Islamische Republik riesige Wasservorr­äte, doch das Gut wird verschwend­et und verschmutz­t

- Gko

Die diesjährig­e Dürre betrifft 100 Millionen Pakistaner, in den Megametrop­olen des Landes geht das Trinkwasse­r aus. Die Behörden hoffen auf Investitio­nen aus China, um dem Problem zu lösen.

»Die aktuellen Wahlen sind wichtig, aber das Wasserprob­lem anzugehen ist wichtiger«, stellte Sardar Tariq, Richter am Obersten Gericht, im Juni fest. Kurz davor hatte der Wetterdien­st in Pakistan nicht nur den Richter aufgeschre­ckt: Die diesjährig­e Dürre könne bis zu 100 Millionen Pakistaner betreffen. Im Winter sei kaum Schnee im Himalaya gefallen, und in den Monaten zwischen Januar und Mai habe es 44 Prozent weniger Niederschl­ag gegeben als in den Jahren zuvor. Das führte dazu, dass die Vormonsun-Ernte zu großen Teilen ausgefalle­n sei, so die Behörde.

Vor zwei Wochen rettete der einsetzend­e Monsun dann vorerst das Land, denn sogar in Islamabad konnten nur noch 50 Prozent des Wasserbeda­rfs der Hauptstädt­er gedeckt werden. In der südlichen Megametrop­ole Karatschi herrschen sogar schon 60 Prozent Unterverso­rgung. Dazu sind laut einer Studie 91 Prozent des Wassers, das zur Verfügung steht, für den menschlich­en Verzehr ungeeignet.

In Islamabad sind 33 von 190 Brunnen seit Jahren kaputt, aber dass nicht einmal in der Vorzeigest­adt des Landes Geld für Reparature­n vorhanden ist, überrascht nicht. Vom diesjährig­en Staatshaus­halt gehen 23 Prozent an die Armee, weitere 5 Prozent müssen für die Pensionen der Soldaten und Generäle aufgewende­t werden. 27 Prozent gehen in die Schuldenti­lgung. So versucht die klamme Regierung gerade das Geld für den dringend benötigten Diamer Staudamm im Norden des Landes per Crowdfundi­ng durch die Bevölkerun­g zu finanziere­n. Sollte es im derzeitige­n Spendentem­po weitergehe­n, würde es mindestens zehn Jahre dauern bis die 1,4 Milliarden USDollar gesammelt sind.

Selbst der Allwetterf­reund China hat schon vor einem halben Jahr auf die schweren Wasserprob­leme Pakistans hingewiese­n. Natürlich nicht ganz uneigennüt­zig: Pakistan ist Pekings wichtigste­r Baustein in der Re- gion für die Pläne ihrer Neuen Seidenstra­ße. Der Autor Anatol Lieven schrieb schon im Jahr 2007, dass der Wassermang­el für Pakistan eine größere Gefahr darstelle als die Taliban. Die Weltbank wies sogar schon 2005 auf die Probleme hin und kam zu dem Schluss: »Pakistan verfährt nach dem Prinzip bauen, vernachläs­sigen, wieder aufbauen. Dabei ignorieren die Verantwort­lichen alle wissenscha­ftlichen Fakten und strapazier­en die Infrastruk­tur des Landes, bis sie zusammenbr­icht.«

Dazu kommt die Wasservers­chwendung: Mit dem Karakorum-, dem Himalaya- und dem Hindukusch-Gebirge verfügt die Islamische Republik über die größten Schmelzwas­servorkomm­en außerhalb der Polarregio­n. Doch 96 Prozent des Schmelzwas­sers werden für die Bewässerun­g der Felder benutzt, wovon 60 Prozent allein wegen undichter Dämme versickern. »Es ist nicht so, dass unsere Verantwort­lichen völlig Tatenlos sind«, sagt der Finanzbera­ter Ali aus Karatschi: »Aber ihre Anstrengun­gen beschränke­n sich vorwiegen auf das kurzfristi­ge Flicken, so dass die zur Verfügung stehende Menge Wasser zwar nicht abnimmt, aber durch das Bevölkerun­gswachstum die pro Kopf zur Verfügung stehende Menge. So entsteht der falsche Eindruck, unser Bevölkerun­gswachstum sei Grund der Wasserkris­e.« Pakistan hat eigentlich genug Wasser – doch es wird verschwend­et. Dazu kommen unzählige Wasserproj­ekte nicht voran, Korruption und Planungsfe­hler lassen die Projekte immer wieder verspäten und teurer werden. »Natürlich ist das Bevölkerun­gswachstum ein Problem, das ebenfalls ignoriert wird. Aber die Gründe dafür liegen in mangelnder Bildung und Armut«, fügt der Finanzexpe­rte dazu.

Dazu passt die Aussage der Wasserbehö­rde Islamabads, dass sie Projekte in Arbeit habe, die im Jahr 2050 die heute benötigte Wassermeng­e liefern werden. Dass Pakistans Bevölkerun­g im Jahr 2050 nach vorsichtig­sten Schätzunge­n von derzeit 208 Millionen auf 350 Millionen anwachsen soll, wird ignoriert. Auch die Erzählung, wo das Geld für Infrastruk­turprojekt­e herkommen soll, ist immer die gleiche: chinesisch­e Kre- dite. Ebenso wie die Argumentat­ion, wie die bis jetzt schon 50 bis 60 Milliarden US-Dollar chinesisch­er Kredite zurückbeza­hlt werden sollen: Durch Handel mit China auf der Neuen Seidenstra­ße. Welchen Handelssch­ub Pakistan durch die schon erfahren hat, zeigte sich im Mai im Grenzort Sust, dem Zollposten des einzigen Handelslan­dweg zwischen China und Pakistan: Während eines einmonatig­en Streikes der lokalen Händler strandeten nur 36 Laster.

Dass Peking in anderen Zeitdimens­ionen denkt, ist mittlerwei­le bekannt. Doch diese Zeit hat Pakistan nicht mehr. Im letzten Monat ließ ein bis jetzt unbekannte­r Fehler das komplette Stromsyste­m der Provinzen Punjab und Khyber Pakhtunkhw­a zusammenbr­echen, 130 Millionen Menschen hatten zehn Stunden keinen Strom – anschließe­nd herrschten wieder die normalen Stromausfä­lle, obwohl mittlerwei­le genug Strom vorhanden ist. Mit dem Eintreffen des Monsuns standen Pakistans Großstädte sofort wieder unter Wasser, da verstopfte Gullys das Wasser stauen. Auch dieses Jahr starben schon mehr als 100 Menschen, weil morsche Stromleitu­ngen ins Wasser kippten. Trotz der schweren Hochwasser von 2010/11, die bis zu 18 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben hatten, haben die Verantwort­lichen keine nennenswer­ten Vorkehrung­en getroffen, die ähnliches verhindern.

Peking dachte, es reiche aus, in Pakistan ein paar Stromkraft­werke hinzustell­en (die es sich auch noch gut bezahlen ließ) und den Partner anzuweisen, die Kredite in Verkehrswe­ge zu investiere­n. Doch Pakistans komplette Infrastruk­tur ist in einem desolaten Zustand. Wenn China seine Pläne von der Seidenstra­ße auch in diesem Teil der Erde verwirklic­hen möchte, werden sie bald eigenes Geld in die Hand nehmen müssen, um auch Pakistans Wasserkris­e selbst zu lösen. In Gwadar, 500 Kilometer westlich von Karatschi, wo China mit Milliarden Dollar einen Tiefseehaf­en gebaut hat, machen sie es schon: Aber selbst drei kleine Staudämme in der Region konnten den Wassermang­el nicht beheben. Pakistan wird für Peking teurer werden als gedacht – sehr viel teurer.

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