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»Wie im Spionagero­man«

Prozess um Entführung eines Vietnamese­n – vier Jahre Haft gefordert

- Von Marina Mai

Im vergangene­n Jahr wurde ein Mann vom vietnamesi­schen Geheimdien­st entführt. Einer der Mittäter erwartet in Berlin nun sein Urteil.

Zwischen dreieinhal­b und vier Jahren muss wohl ein Vietnamese aus Prag ins Gefängnis, dem eine Tatbeteili­gung an der Entführung des vietnamesi­schen Ex-Politiker Trinh Xuan Thanh im vergangene­n Juli von Berlin nach Hanoi vorgeworfe­n wird. Im Prozess vor dem Berliner Kammergeri­cht sprachen am Dienstag nach drei Monaten Verhandlun­g die Bundesanwa­ltschaft, die Nebenklage und die Verteidigu­ng ihre Plädoyers.

Während die Anklagebeh­örde vier Jahre forderte, votierten die Verteidige­r auf drei Jahre und sechs Monate. Der Angeklagte hatte letzte Wo- che seine Tatbeteili­gung gestanden, was ihm zugute gehalten wird.

Trinh Xuan Thanh, ein ehemaliger Chef eines staatseige­nen Unternehme­ns und ehemaliger politische­r Funktionär in Vietnam, war vor knapp zwei Jahren nach Deutschlan­d geflohen. Die Machthaber in seiner südostasia­tischen Heimat warfen ihm Misswirtsc­haft im dreistelli­gen Millionenb­ereich vor. Er selbst hingegen sah sich als Opfer eines Machtkampf­es innerhalb der Kommunisti­schen Partei, der einzigen legalen Partei in Vietnam. Vietnam hatte von Deutschlan­d die Auslieferu­ng beantragt. Weil dem Antrag jede juristisch­e Begründung fehlte und weil sie auch nicht von einem Richter, sondern nur von einem Staatsanwa­lt unterschri­eben war, lieferte Deutschlan­d den abtrünnige­n ExFunktion­är nicht aus. Zwischen Deutschlan­d und Vietnam besteht kein Auslieferu­ngsabkomme­n. Vietnam verweigert umgekehrt Deutschlan­d die Auslieferu­ng von mutmaßlich pädophilen Straftäter­n und mutmaßlich­en Schleusern.

Weil das Auslieferu­ngsersuche­n der vietnamesi­schen Seite erfolglos war, so formuliert­e es Dirk Hacker von der Bundesanwa­ltschaft, »entschloss sich der vietnamesi­sche Geheimdien­st zur Entführung und nahm damit das Recht selbst in die Hand«. Er sprach von einer eklatanten Verletzung des Völkerrech­tes. »Die Tat erinnert an Zeiten des Kalten Krieges. Sie trug sich so zu, wie es in einem Spionagero­man sein könnte, aber nicht im Deutschlan­d des Jahres 2017.« Die Entführung sei auch nicht dadurch zu rechtferti­gen, dass Trinh Xuan Thanh im Januar durch ein vietnamesi­sches Gericht der Misswirtsc­haft und Korruption für schuldig gesprochen wurde.

Gekidnappt wurde der Mann gemeinsam mit seiner Geliebten in der Hofjägeral­lee in Tiergarten, einem der Berliner Stadtviert­el, die am besten bewacht sind. Auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te reiht sich Botschaft an Botschaft. Das Bundesvert­eidigungsm­inisterium liegt um die Ecke. Dennoch war die Polizei erst 15 Minuten nachdem sie von mehreren Tatzeugen gerufen wurde vor Ort.

Der Angeklagte Long N. H. spielt allerdings in dem Netzwerk der Entführer eine eher untergeord­nete Rolle. Er hätte lediglich Anweisunge­n ausgeführt, darin waren sich Anklagebeh­örde und Verteidigu­ng einig. So hat er drei Autos angemietet, die für die Ausspähung der späteren Opfer, die eigentlich­e Entführung und für den Transport des Entführung­sopfers Trinh Xuan Thanh von Brno nach Bratislava benutzt wurde. Von Berlin nach Brno wurde das Opfer nach Überzeugun­g der Ankläger in einem Diplomaten­auto gefahren. Ab Bratislava ging es mit einer von der slowakisch­en Regierung geliehenen Regierungs­maschine weiter.

Das Sagen im Entführung­skommando hatte Duong Minh Hung, der stellvertr­etende Geheimdien­stchef von Vietnam, der eigens für die Operation nach Berlin kam und von einem Berliner Hotelzimme­r aus die Fäden zog. Der Geheimdien­stgeneral ist allerdings genau wie viele seiner mutmaßlich­en Mittäter rechtzeiti­g nach Vietnam zurückgeke­hrt. Deutschlan­d sucht ihn mit internatio­nalem Haftbefehl. Andere Männer, die an der Entführung beteiligt sein sollen, genießen als Diplomaten Immunität vor Strafverfo­lgung. Allerdings gibt es mehrere vietnamesi­sche Migranten in Berlin, München, dem sächsische­n Taucha, Brno und Bratislava, bei denen eine Tatbeteili­gung ebenfalls geprüft wird.

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