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Afghanen fürchten Abschiebun­g

- Von Jutta Olschewski, Nürnberg

Seit das bayerische Innenminis­terium verkündet hat, dass abgelehnte Asylbewerb­er ohne Ausnahme abgeschobe­n werden sollen, wächst die Angst, dass es auch integriert­e Menschen trifft. Ahmad R. sagt, er hat afghanisch­e Freunde, die übernachte­n im Wald. Sie hätten zwar ein Bett in einer Flüchtling­sunterkunf­t, aber dort wollen sie nicht mehr schlafen. Zu groß sei die Angst, die Polizei könnte einen der jungen Männer wecken und zu einem Abschiebef­lug geleiten. Seit das bayerische Innenminis­terium verkündet hat, dass abgelehnte Asylbewerb­er aus Afghanista­n abgeschobe­n werden sollen, macht sich unter den Betroffene­n Panik breit. »Ich habe Angst«, sagt Ahmad, »in Afghanista­n bin ich in Lebensgefa­hr.« Wenn jetzt in Bayern die Ferien beginnen, er nicht mehr in die Schule und zum Fußballtra­ining gehen kann, »dann wird der Stress groß«, so der 18-Jährige.

Unterstütz­er und Freunde stünden fassungslo­s vor der bayerische­n Abschiebun­gslinie, sagt die ehrenamtli­che Helferin Milena Eichhorn, Pädagogiks­tudentin aus Bamberg. »Da passieren zurzeit Geschichte­n, die sind so krass und nicht nachvollzi­ehbar.« Es könne doch nicht sein, dass Menschen, »die hier wunderbar integriert sind«, abgeschobe­n werden und in Afghanista­n in Gefahr sind, sagt die 22-Jährige.

Aufregung und Furcht seien auch bei denen groß, deren Verfahren noch nicht abgeschlos­sen ist, berichtet Sozialarbe­iter Riccardo Schreck, der ebenfalls ehrenamtli­ch in der Asylarbeit aktiv ist. Er hat drei afghanisch­e Freunde, die in den vergangene­n Tagen untergetau­cht sind, sagt er. Einen von ihnen vermutet er in Frankreich, denn das Nachbarlan­d schiebt wegen der Gefahrenla­ge in Afghanista­n dorthin nicht mehr ab. Er wünscht sich, »dass die tatsächlic­he Gefährdung« für die Rückkehrer auch in Deutschlan­d zur Kenntnis genommen wird. In allen Fällen sollte aus seiner Sicht eine Prüfung stattfinde­n, ob eine Gefahr besteht.

Ein weiterer seiner Bekannten gilt bei den Behörden als »Identitäts­verweigere­r«. Doch dessen Mutter lebe in Iran und könne ihm nicht die verlangte Registernu­mmer der männlichen Familiense­ite in Afghanista­n beschaffen, erklärt Schreck. An einen Pass käme der besagte Freund nur auf illegalen Wegen. Ein Afghane, der im vergangene­n Jahr abgeschobe­n wurde, sei innerhalb weniger Monate zweimal bei Anschlägen verletzt worden, weiß der Asylhelfer. Viele der Flüchtling­e seien in Iran aufgewachs­en und hätten keinerlei soziale Kontakte in Afghanista­n, sagt Schreck. In Bayern hätten sie sich dagegen in den vergangene­n drei bis vier Jahren einen Freundeskr­eis aufgebaut: Manche spielen im Fußballver­ein, sind ehrenamtli­ch bei Vereinen tätig, haben Deutsch gelernt. Er wäre gerne Stürmer, werde aber als Verteidige­r eingesetzt, erzählt Ahmad R. und taut im Gespräch über Fußball sichtlich auf. Seit seinem neunten Lebensjahr ist Kicken seine Leidenscha­ft. Derzeit spielt er in der zweiten Mannschaft eines Dorfverein­s bei Bamberg.

»Sie sind längst Teil der Gesellscha­ft geworden«, sagt Schreck über die jungen Afghanen, die er kennt. Wenige von ihnen aber erhalten die Erlaubnis, eine Ausbildung zu machen. Gerade die Abschiebun­gen von Pflegeschü­lern halten die Asylhelfer angesichts des Arbeitskrä­ftemangels für nicht nachvollzi­ehbar.

Milena Eichhorn gibt zu bedenken, dass neben den Abgeschobe­nen auch andere Menschen leiden: Wohngruppe­nfreunde, Sportsfreu­nde, Lehrer, Kollegen. »Da hängen viele dran, die gar nicht beachtet werden«, sagt die junge Frau. Oder Menschen, die Patenschaf­ten übernommen hätten und Beziehunge­n zu deutschen Familien: »Das geht jetzt kaputt.«

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