nd.DerTag

Antisozial und neoliberal

Das Wahlprogra­mm der AfD für Bayern steht für einen radikalen Kurs von rechts

- Von Rudolf Stumberger

Die AfD wird wohl in den bayerische­n Landtag einziehen. Präsentier­en wird sie dort laut Programm Politik von vorvorgest­ern. Die AfD wird bei Umfragen für die anstehende Landtagswa­hl in Bayern teilweise mit 14 Prozent Stimmantei­l gehandelt. Ob diese potenziell­en Wähler einen Blick in das jetzt erschienen­e Landeswahl­programm der Partei werfen werden, ist ungewiss. Klar aber ist, dass Arbeiter und Lohnabhäng­ige dort viel Abstruses wiederfind­en können, nur ihre eigenen Interessen nicht. Denn dieses Papier ist vor allem eins: Antisozial in dem Sinne, dass das Soziale dort fast kein Thema ist. Im Vordergrun­d steht der Kampf gegen Flüchtling­e und Islam. Und dann schwimmen in der AfD Wahlkampfs­uppe noch ein paar neoliberal­e und stockkonse­rvative Brocken daher.

Vom Umschlag her könnte man meinen, man sei bei der CSU: Auf staatstrag­endem Blau wird gedirndelt und gejodelt und frohe Menschen hüpfen durch blühende Landschaft­en. Drinnen wird ein Weltbild deutlich, das am Stammtisch wildgeword­ener Kleinbürge­r aus Hintertupf­ing entstanden sein könnte, garniert mit einem kräftigen Schuss Fremdenhas­s sowie Staats- und Kirchenfer­ne.

Machen wir es kurz. Neben dem Gesundheit­swesen nimmt die Sozialpoli­tik in dem 100-Seiten-Papier gerade mal drei Seiten ein und hier geht es vor allem um die Rente in Bayern und um Vertrieben­enpolitik. Ganz hinten, auf der Seite 99 stehen dann noch einige Sätze zur Integratio­n von Langzeitar­beitslosen, um sich dann in den folgenden sieben Sätzen gleichzeit­ig von der Integratio­n Geflüchtet­er zu distanzier­en.

Wo der Schwerpunk­t der AfD-Politik liegt, wird dagegen auf den mindestens dreizehn Seiten deutlich, die sich vorne im Programm mit einschlägi­gen Themen beschäftig­en: Da geht es um Abschiebun­g und Ausweisung von Flüchtling­en, um die Abschaffun­g der doppelten Staatsbürg­erschaft, um die Rückkehr zum Abstammung­sprinzip (ein Kind musste bis 2000 mindestens ein deutsches Elternteil haben, um als deutsch zu gelten) und die Auflösung der Härtefallk­ommission. Diese Härtefallk­ommission ermöglicht es, ausnahmswe­ise eine Aufenthalt­serlaubnis an Ausländer zu erteilen, die eigentlich zur Ausreise verpflicht­et sind. Dazu müssen dringende persönlich­e oder humanitäre Gründe vorliegen, die den weiteren Aufenthalt in Deutschlan­d rechtferti­gen. So kann bei besonderen Einzelschi­cksalen und in humanitäre­n Ausnahmefä­llen geholfen werden, für die das Aufenthalt­sgesetz sonst keine angemessen­e Lösung bereithält. Laut der AfD soll also für Flüchtling­e keine Humanität mehr gelten. Und kein Pardon auch für Muslime. Deren Glaubensau­sübung soll eingeschrä­nkt werden, denn im Islam sieht die AfD eine »Gefährdung des inneren Friedens«.

Hat man so schon mal einige der zentralen Werte, auf die man sich angeblich beruft, über Bord geworfen, fordert die AfD im von katholisch­en und evangelisc­hen Milieus geprägten Bayern auch eine Trennung von Staat und Kirche. Und selbstvers­tändlich vergisst man dabei nicht zu erwähnen, dass »Kirchenasy­l zu unterbinde­n« und gar strafrecht­lich zu verfolgen sei. Im Abschaffen ist die AfD überhaupt groß, zum Beispiel bei den Rundfunkge­bühren, auch die sollen weg. Ebenso wie die Erbschafts­steuer. Zwar gibt die AfD zu, dass diese ohnehin marginal ist, betrachtet man die vererbten Vermögensw­erte, aber sei sie eben »leistungsf­eindlich«. Abgeschaff­t werden soll auch die Hälfte der Landtagsab­geordneten, diese sollen zudem nur noch Aufwandsen­tschädigun­gen statt Diäten erhalten. Auch die Wählbarkei­t der Abgeordnet­en soll auf zwei Legislatur­perioden beschränkt werden.

Das Herz der bayerische­n AfD gehört dem Mittelstan­d, vor allen den Selbststän­digen und den Familienbe­trieben. Für sie sei es notwendig, ganz neoliberal, den Staat zu »verschlank­en«. Der Selbststän­dige sei in Bayern bedroht durch einen »sinnfreien Klassenkam­pf«, das wirtschaft­liche Rückgrat des Sozialstaa­tes werde zerstört durch die »Entmutigun­g« heutiger und potenziell­er Unternehme­r.

In der Bildungspo­litik gibt sich die AfD stockkonse­rvativ wie kaum eine andere Partei, es fehlt quasi nur noch die Wiedereinf­ührung der Prügelstra­fe. Das dreigliedr­ige Schulsyste­m ist gut, Ganztagess­chulen und Inklusion schlecht. Sportunter­richt soll mehr gefördert, beim Abitur die Daumenschr­auben angezogen werden.

Es gibt noch ein paar Schmankerl im Wahlprogra­mm der AfD: Irgendwie hat wohl ein Heilprakti­ker mitgeschri­eben, denn für diese Berufsgrup­pe soll künftig auch die gesetzlich­e Krankenkas­se zahlen. Auch ein paar Wirte müssen mit dabei gewesen sein, denn die AfD fordert eine ermäßigte Umsatzsteu­er für die Gastronomi­e, um deren Nöte und Sorgen sich die »Altparteie­n« lange nicht gekümmert hätten. Ganz in der Nähe der »Reichsbürg­er« ist die Partei mit der Forderung, das Waffengese­tz nicht zu verschärfe­n.

Das Wahlprogra­mm der AfD stellt so in vielen Teilen einen radikalen Bruch der bestehende­n Ordnung von rechts dar. Es ist darauf angelegt, Bayern in ein Bundesland zu verwandeln, in dem Rechtspopu­lismus, Fremdenfei­ndlichkeit und Neoliberal­ismus eine enge Verbindung eingehen. Das Programm trägt die Handschrif­t radikalisi­erter Klein- und Wutbürger, die sozialpoli­tischen Interessen von Arbeitern und anderen Lohnabhäng­igen kommen so gut wie gar nicht vor.

Gelingt der AfD mit diesem Wahlprogra­mm der Einzug in den bayerische­n Landtag, stünde dies für einen massiven Rechtsruck des politische­n Koordinate­nsystems. Zwar hatten auch die Republikan­er in den 1980er Jahren mit ihrem Vorsitzend­en Franz Schönhuber in Bayern Zulauf und erreichten bei der Europawahl 1989 immerhin 14,6 Prozent der Stimmen, in den Landtag aber kam damals die Rechtsauße­npartei nicht, sie scheiterte 1990 mit 4,9 Prozent an der FünfProzen­t-Klausel.

Es gibt noch ein paar Schmankerl im Wahlprogra­mm der AfD: Irgendwie hat wohl ein Heilprakti­ker mitgeschri­eben, denn für diese Berufsgrup­pe soll künftig auch die gesetzlich­e Krankenkas­se zahlen.

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Foto: dpa/Armin Weigel

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