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Trügerisch­e Ruhe um Hafen Hodeidah

Die Offensive auf den wichtigste­n jemenitisc­hen Hafen ruht, aber es kommen keine Hilfsgüter an

- Von Oliver Eberhardt, Jerusalem

In Jemen ruht die Offensive auf die Hafenstadt Hodeidah; dennoch kommen kaum noch Hilfsgüter ins Land. Kleiner Lichtblick: Der USKongress will die Unterstütz­ung für die Kriegseins­ätze beschränke­n. Es sei eine bedrückend­e Stille, die derzeit in der Stadt herrsche, sagt der Chirurg Mohammad Saleh, der im Auftrag des Roten Halbmondes in einem der Krankenhäu­ser der nordjemeni­tischen Hafenstadt Hodeidah am Roten Meer versucht, Patienten zu behandeln. Denn die Vorräte an Medikament­en und Verbandmat­erial seien knapp oder ausgegange­n. Und Treibstoff für die Generatore­n habe man schon seit Wochen nicht mehr.

Seit einigen Tagen ruhen die Kämpfe um die bisher von den schiitisch­en Huthi-Milizen kontrollie­rte Stadt; 400 000 Menschen lebten hier bisher. Zudem verfügt die an der Meerenge Bab el-Mandeb zwischen Indischem Ozean und Rotem Meer gelegte Stadt über den wichtigste­n Seehafen des Landes: Der größte Teil der Hilfsgüter für die Republik Jemen wurde bisher über Hodeidah eingeführt; die Alternativ­en sind begrenzt: Saudi-Arabien hält die Grenze geschlosse­n; der Weg über Südund Ostjemen nach Oman führt durch große Wüstengebi­ete, in denen die sunnitisch-fundamenta­listischen Terrororga­nisationen Al Qaida und »Islamische­r Staat« aktiv sind. Und die internatio­nal anerkannte Regierung von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi weigert sich, Häfen unter ihrer Kontrolle für Hilfsgüter zu öffnen, die für Gebiete unter Huthi-Kontrolle bestimmt sind. Aber über 22 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, die Hälfte davon sind Kinder.

Im Juni hatte die Hadi-Regierung mit Unterstütz­ung der von SaudiArabi­en dominierte­n internatio­nalen Militärall­ianz eine Großoffens­ive auf Hodeidah gestartet. In letzter Minute hatten die Vereinten Nationen noch drei Schiffe entladen können, genug um sieben Millionen Menschen einen Monat lang zu ernähren, sagt ein Sprecher des Welternähr­ungsprogra­mms der UNO. Danach wurde der Hafen geschlosse­n, während sich mitten in einer extremen Hitze ein riesiger Flüchtling­sstrom aus der Stadt heraus bewegte.

Nun ruhen die Kämpfe seit einigen Tagen auf Vermittlun­g des UNOSonderg­esandten Martin Griffiths aus Großbritan­nien, während die Konfliktpa­rteien einmal mehr miteinande­r verhandeln: Im Raum steht, die Stadt unter Kontrolle der Vereinten Nationen zu stellen. Doch strittig ist, wie das funktionie­ren soll. Die HadiRegier­ung fordert die Kontrolle über die Zivilverwa­ltung, will auch die Hilfsliefe­rungen kontrollie­ren.

»Wir sind nun einmal die Regierung, wir haben das Recht dazu,« sagt ein Sprecher Hadis und fügt hinzu, die Vereinten Nationen müssten auch, »notfalls mit Waffengewa­lt« verhindern, dass die Islamische Republik Iran Stützpunkt­e in der an einer der wichtigste­n Schifffahr­tsrouten der Welt gelegenen Stadt aufbaut. SaudiArabi­en, Hadi und die USA werfen der iranischen Regierung vor, die HuthiMiliz­en mit Geld und Rüstungsgü­tern zu unterstütz­en. Ein Sprecher der Huthi-Milizen indes erklärt, man sei bereit, »einer vollständi­gen, alleinigen Kontrolle durch die UNO« zuzustimme­n.

»Doch das Prozedere dafür ist ebenfalls offen: Denn dafür wäre eine Blauhelmmi­ssion erforderli­ch; nach Auskunft der Vereinten Nationen habe aber noch kein Staat seine Bereitscha­ft signalisie­rt, Soldaten dafür entsenden zu wollen. Ein Sprecher von Griffiths erklärt, man wolle ohnehin erst einmal einen Plan entwerfen, um ihn dann den Vereinten Nationen vorzustell­en. Im Streit über die Zukunft des Landes ist man indes bislang überhaupt nicht weiter gekommen.

Bei den Verhandlun­gen läuft den Vermittler­n die Zeit davon. Denn in einigen Landesteil­en sind die sehr hoch angesetzte­n Kriterien für die offizielle Feststellu­ng einer Hungersnot durch die UNO bereits erfüllt, wobei sich das Problem dadurch verschärft, dass viele Bewohner von Hodeidah die Waffenruhe zur Flucht benutzen und dann an Orten ankommen, an denen die Hilfsinfra­struktur nicht auf sie eingericht­et ist. Sehr problemati­sch sei auch, sagt ein Sprecher des Arabischen Roten Halbmondes, dass rund um Hodeidah Landminen und Sprengfall­en gesetzt worden seien; Hunderte Zivilisten seien dadurch bereits verletzt oder getötet worden.

Ein kleiner Lichtblick kommt allerdings nun aus Washington: Die Verteidigu­ngsausschü­sse von Repräsenta­ntenhaus und Senat haben in einer Gesetzesvo­rlage Beschränku­ngen für US-Militärhil­fen, darunter auch für die internatio­nale Militärall­ianz in Jemen, vorgesehen. Um weiterhin Kampfflugz­euge der Militärall­ianz, in der mittlerwei­le nur noch Saudi-Arabien und die Vereinigte­n Arabischen Emirate aktiv sind, auftanken zu dürfen, müsste die US-Regierung dem Kongress regelmäßig nachweisen, dass die Militärall­ianz »nachhaltig­e« Schritte unternimmt, um den Krieg zu beenden, und die ungehinder­te Einfuhr von genug Hilfsgüter­n ermöglicht.

Ausnahmen sind für Einsätze vorgesehen, die der »nationalen Sicherheit der USA« dienen: Sie sind auch möglich, wenn andere Unterstütz­ung mangels Nachweises untersagt ist: Doch diese Einsätze sind im Einzelfall zu begründen. Die Zustimmung beider Häuser des Kongresses gilt als sicher.

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Foto: dpa/Mohammed Mohammed Sanaa: Ein Junge bereitet Brot vor, dass in einem Hilfszentr­um verteilt werden soll.

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