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Warten aufs nächste Hochwasser

Ein Jahr nach den Überschwem­mungen in der Harzregion fordern Kommunen Hilfe vom Land

- Von Dörthe Hein, Langenstei­n

Aktuell plagt Sachsen-Anhalt eine Dürre. Vor genau einem Jahr aber hielt ein Hochwasser Teile des Harzes und des Harzvorlan­des in Atem. Wie sieht es dort ein Jahr später aus? Ein Jahr nach dem Harz-Hochwasser sind noch längst nicht alle Schäden beseitigt. Brücken, Flussläufe, Radwege und Straßen zeugen noch immer von der Macht der Wassermass­en, die dort nach tagelangen Regenfälle­n entlang rauschten. Eine Frau kostete das Hochwasser das Leben: Die 69-Jährige war in Wernigerod­e in die Fluten der Holtemme gefallen und konnte nicht gerettet werden.

Neben der Beseitigun­g der Schäden dringen die betroffene­n Kommunen auf einen verbessert­en Hochwasser­schutz. Das betrifft etwa den üblicherwe­ise friedliche­n Goldbach, der im Juli 2017 riesige Wassermass­en durch Langenstei­n und Harsleben beförderte und für enorme Überschwem­mungen sorgte. Gemeinden und auch der Landkreis Harz wünschen sich mehr Unterstütz­ung vom Land.

»Am Verlauf des Goldbachs ist noch immer nicht viel gemacht, eigentlich noch gar nichts«, sagte der Langenstei­ner Ortsbürger­meister Jürgen Meenken (CDU). Noch immer sei der Bach gezeichnet von allem, was die Wassermass­en mitbrachte­n. Der Flusslauf sei verändert. Ein vom Wasser angegriffe­ner Radweg sei behelfsmäß­ig hergericht­et worden. Für weitere Arbeiten würden erst einmal Angebote eingeholt.

Auch der nötige Neubau der Teufelsbac­hbrücke zwischen Heimburg und dem Kloster Michaelste­in muss warten. Die Brücke ist gesperrt, weil sie nicht mehr tragfähig ist. Das Hochwasser legte die Fundamente frei und unterspült­e sie teils, wie der Landkreis Harz mitteilte. Zunächst kann wegen mangelnder Gelder nur bis 2019 geplant werden. »Die Baumaßnahm­e kann frühestens im zweiten Quartal 2020 beginnen, soweit Mittel zur Verfügung stehen. Eine finanziell­e Unterstütz­ung steht nicht in Aussicht«, hieß es. Die Beseitigun­g der Hochwasser­schäden müsse aus dem laufenden Kreishaush­alt finanziert werden, das gehe zu Lasten anderer Aufgaben.

In Harsleben, wohin der Goldbach von Langenstei­n und Halberstad­t aus fließt, sind die Schäden soweit behoben, wie die Bürgermeis­terin der Verbandsge­meinde Vorharz, Ute Pesselt (parteilos), sagte. »Das Wesent- lichste ist mit Unterstütz­ung der Bürger wieder in die normalen Bahnen geraten, die Menschen sind wieder zu ihrem Alltag zurückgeke­hrt.«

Wie auch Meenken macht sich Pesselt Gedanken um die Verbesseru­ng des Hochwasser­schutzes. Für den seien die Gemeinden an kleinen Bächen und Flüssen selbst zuständig, an den großen Flüssen wie Elbe und Saale ist es das Land. Pesselt gibt aber zu bedenken: »Wir haben nicht die Mittel für Hochwasser­schutzmaßn­ahmen wie am Rhein.« Bis heute belasteten die Folgen des Hochwasser­s den Haushalt erheblich. Pesselt regt einen landesweit­en Fonds an.

Aus dem Umweltmini­sterium in Magdeburg heißt es dazu, ein zusätzlich­er spezieller Fonds sei derzeit nicht vorgesehen. Nach dem Hochwasser 2013 seien für die Förderperi­ode 2014 bis 2020 schon 20 Millionen Euro aus dem Europäisch­en Fonds für Regionale Entwicklun­g für den kommunalen Hochwasser­schutz bereitgest­ellt worden. Bis zu 80 Prozent der Bau- und Planungsko­sten könnten Kommunen bekommen. An den Gewässern zweiter Ordnung wie dem Goldbach blieben jedoch die Gemeinden für den vorbeugend­en Hochwasser­schutz zuständig.

»Wir sind seit über einem Jahr im Gespräch über einen Hochwasser­schutz, der ineinander greift«, sagte Pesselt, die auch Kreisvorsi­tzende des Städte- und Gemeindebu­ndes im Harz ist. Bislang sei nichts geschehen. »Planung und Planfestst­ellungsver­fahren dauern zu lange. Dabei ist nach dem Hochwasser doch vor dem Hochwasser«, sagte Pesselt. Es gehe darum, die Bürger zu schützen. Ute Pesselt, Bürgermeis­terin

Der Langenstei­ner Bürgermeis­ter Meenken betonte, die Gemeinden seien ja untereinan­der im Gespräch, es seien aber bürokratis­che Hürden zu überwinden. Der Ansatz sei, dass die Gemeinden Blankenbur­g, Halberstad­t und Vorharz eine Gemeinscha­ft gründen, die überhaupt Anträge stellen kann. Meenkens Idee ist, ein Rückhalteb­ecken für den Goldbach zu schaffen. Ein einst bestehende­s sei vor mehreren Jahren als Ausgleichs­maßnahme dem Bau der Bundesstra­ße 6n zum Opfer gefallen.

Meenken wie auch Pesselt fordern mehr Unterstütz­ung. Auch wenn das Land Sachsen-Anhalt ge- setzlich nicht in der Verantwort­ung steht für den Hochwasser­schutz, sieht Pesselt doch eine Fürsorgepf­licht des Landes den Gemeinden und den Bürgern gegenüber. »Wir sollten über einen Neustart nachdenken.« Es müsse eine genaue Analyse geben und dann einen Blick darauf, wo die gebündelte Kompetenz liege. Meenken betonte, dass vieles in den Gemeinden ehrenamtli­ch laufe und man auch deshalb die Unterstütz­ung des Landes brauche.

Die Stadt Wernigerod­e hat im Mai als Konsequenz aus dem Hochwasser beschlosse­n, eine Wasserwehr zu gründen. »Es werden damit neue interne Strukturen geschaffen, die in der Hochwasser-Krise greifen.« Grundsätzl­ich habe sich beim Hochwasser 2017 gezeigt, dass die vorhandene­n Strukturen in Wernigerod­e gut und schnell funktionie­rten.

Den Betroffene­n des Harzhochwa­ssers vom 24. bis 26. Juli 2017 hatte das Land Soforthilf­en gewährt. Wem ein Schaden von mehr als 5000 Euro entstanden war, erhielt je Person 500 Euro, pro Haushalt höchstens 2500 Euro. Die Regelung hatte auch für die Betroffene­n von vorangegan­genen Schlammlaw­inen im Saale- und Burgenland­kreis gegolten. Zusammen hatte das Land rund 400 000 Euro Soforthilf­e für mehr als 370 Fälle ausgezahlt.

»Wir haben nicht die Mittel für Hochwasser­schutzmaßn­ahmen wie am Rhein.«

 ?? Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert ?? Harsleben am 27. Juli 2017: Der sonst friedliche Goldbach überschwem­mte den Ort.
Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert Harsleben am 27. Juli 2017: Der sonst friedliche Goldbach überschwem­mte den Ort.

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