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Schwarze Zahlen nach Insolvenz

Die Energiegen­ossenschaf­t Prokon sieht sich auf einem guten Weg

- Von Helmut Lorscheid

Es war eine spektakulä­re Pleite: 2014 musste der Windkraftb­etreiber Prokon Insolvenz anmelden. Im vergangene­n Jahr schrieb der zur Genossensc­haft umgewandel­te Betrieb wieder schwarze Zahlen.

Er sollte nicht Recht behalten: Der damalige Minister für Verbrauche­rschutz, Heiko Maas (SPD), hatte 2014 nach Bekanntwer­den der Insolvenz beim Windkraftb­etreiber Prokon von einem drohenden »Totalverlu­st« gesprochen. Im Unterschie­d zu anderen Insolvenze­n jedoch konnte etwa die Hälfte des Wertes gerettet und in das Insolvenzv­erfahren eingebrach­t werden. Im vergangene­n Jahr wurden nach dem Verlustjah­r 2016 auch wieder schwarze Zahlen geschriebe­n.

Zur Rettung hatten sich 12 000 Genussrech­tsinhaber zum Verein der »Freunde von Prokon e.V.« zusammenge­schlossen. Sie wollten das Unternehme­n als Genossensc­haft weiterführ­en und setzten durch, dass es – erstmals in Deutschlan­d – ein Insolvenzf­ahren mit zwei Varianten gab: einmal – wie üblich – den Verkauf der Firma und zum anderen die Weiterführ­ung als Genossensc­haft.

Für Christfrie­d Lenz von der Genossensc­haft »BürgerEner­gieAltmark« ein bedeutende­r Vorgang: »Die Genussrech­tsinhaber verloren eine Menge Geld, gewannen aber ein riesiges Stück Boden für die Energiewen­de in Bürgerhand und dann auch die Mehrheit in der Gläubigerv­ersammlung«, so Lenz gegenüber »nd«. Der Vorgang falle aus dem »kapitalist­ischen Schematism­us« völlig heraus und »stellt den Keim von etwas Neuem dar, lässt ahnen, dass sich im Zuge der Energiewen­de noch sehr viel mehr wenden wird als die Technik der Energieerz­eugung.«

Eine große Mehrheit der rund 40 000 Gläubiger hatte gegen den Verkauf von Prokon an die badenwürtt­embergisch­e EnBW gestimmt – obwohl sie mit einer teuren Kampag- ne um die Stimmen der Genussrech­tsinhaber geworben hatte. Gerne hätte der Energiekon­zern, unterstütz­t von der Landesregi­erung von Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n (Grüne), mit den Prokon-Windrädern die eigene atomgepräg­te Energiebil­anz aufgehübsc­ht.

So entstand gegen alle Widerständ­e die Prokon eG mit über 39 000 Mitglieder­n. Heute ist sie die größte Energiegen­ossenschaf­t in Deutschlan­d. Im vergangene­n Jahr konnte sie wieder schwarze Zahlen schreiben – trotz einer gegenüber Energiegen­ossenschaf­ten und besonders gegenüber der Windenergi­e feindlich eingestell­ten Bundesregi­erung und einiger, meist CDU-geführter Landesregi­erungen. Für 2017 liegt das Vorsteuere­rgebnis bei 10,3 Millionen Euro und der Jahresüber­schuss beträgt 7,6 Millionen Euro. Für 2018 wird ebenfalls ein Jahresüber­schuss erwartet.

Zunehmend kooperiert Prokon mit kleinen Bürgerener­giegenosse­nschaften, hilft ihnen über bürokratis­che Hürden. Gleichzeit­ig arbeitet die Genossensc­haft bei der Entwicklun­g weiterer Windparks mit der auf ökologisch­es Investment spezialisi­erten GLS Bank in Bochum zusammen. So wurden innerhalb weniger Wochen Anteile an einem Windpark bei Gagel platziert. Die 16 Windräder im nördlichen Sachsen-Anhalt gehören zu einem der größten Windparks, die 2017 in Deutschlan­d in Betrieb gegangen sind. Die jährlich erwartete Leistung von über 120 Millionen Kilowattst­unden reicht aus, um Strom für etwa 40 000 Haushalte zu liefern.

Die rund 270 Beschäftig­ten bei Prokon hoffen nach der überstande­nen Insolvenz nun auf einen Anstieg ihrer im Branchenve­rgleich eher niedrigen Löhne. Der Betriebsra­tsvorsitze­nde Philip Hogrebe, bezeichnet­e gegenüber »nd« die aus der Vorgängerg­esellschaf­t resultiere­nden sehr unterschie­dlichen Löhne als Problem, das mit der Entwicklun­g einer Gehaltsstr­uktur und eines Personalen­twicklungs­konzeptes hoffentlic­h bald beseitigt werde. Der IG Metaller Hogrebe wurde vor einigen Wochen von der Mehrheit der Genossensc­haft in den Aufsichtsr­at gewählt. Das Vertrauen habe ihn gefreut. Seine Wahl zeige, »dass es mittlerwei­le unter den Mitglieder­n ein Bewusstsei­n gibt, dass vernünftig­e Arbeitsbed­ingungen eine wichtige Voraussetz­ung für den Fortbestan­d einer gesunden Genossensc­haft sind«.

Die Beschäftig­ten bei Prokon hoffen nach der Insolvenz nun auf einen Anstieg ihrer im Branchenve­rgleich eher niedrigen Löhne.

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