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Wirrwarr an der Stromtanks­telle

Für sein Elektroaut­o den günstigste­n Ladestromt­arif zu finden, ist nicht so einfach – davon profitiere­n die Anbieter

- Von Jörg Staude

Je mehr Elektroaut­os auf den Straßen unterwegs sind, desto mehr Anbieter wittern gute Geschäfte mit Ladestrom: Eine Studie prangert die komplizier­ten Tarife und das Wirrwarr an Bezahlsyst­emen an. Die Ladestatio­n für E-Autos da draußen? »Mit der haben wir nichts zu tun, von uns ist da nur der Platz vermietet. Rufen Sie doch die Nummer an, die auf der Säule steht.« Die Auskunft des Mitarbeite­rs im Tankstelle­nshop ist allerdings wenig sinnvoll: Die Nummer auf der Ladesäule zu wählen, lohnt sich nämlich nicht. Es ist Samstag. An den Wochenende­n ist die Serviceste­lle am anderen Ende der Leitung aber gar nicht besetzt.

Das ist auch bei einem sogenannte­n Roaming-Anbieter so. Durch ERoaming kann jeder Kunde bundesweit an jeder öffentlich­en Ladesäule tanken, unabhängig von Vertrag oder Anbieter. Der Autostromv­ermittler Plugsurfin­g wirbt zwar mit dem Zugang zu 70 000 Ladepunkte­n – »Europas größtem Netzwerk« –, aber das Servicetea­m ist, wie auf der Website nüchtern mitgeteilt wird, nur »von Montag bis Freitag zwischen 9 und 18 Uhr für Sie erreichbar«.

Dabei hatte das Berliner Unternehme­n, das im März 2018 in den Besitz des staatliche­n finnischen Energiekon­zerns Fortum überging, die Website »Klimarepor­ter« noch im vergangene­n Herbst wissen lassen, dass es im ersten Quartal 2018 den »großen Schritt« wagen wolle. Plugsurfin­g werde einen telefonisc­hen Rund-umdie-Uhr-Service einrichten, kündigte Kommunikat­ionsmanage­rin Joséphine Dusol damals an. Geändert hat sich aber bis dato nichts, immer noch steht der Autostrom suchende Kunde des Nachts und am Wochenende allein mit seiner App da – sofern die auf seinem Smartphone überhaupt funktionie­rt.

Dass Servicehot­lines auch von Roaming-Anbietern schlecht zu erreichen sind und die Mitarbeite­r teils selbst nicht wissen, wie man kurzfristi­g Probleme lösen kann – das kam auch beim jüngsten Ladesäulen­Check des Ökostromve­rsorgers Lichtblick heraus.

Immerhin versuchten RoamingFir­men wie Plugsurfin­g oder New Motion aber, Transparen­z, Vereinfach­ung und vor allem mehr Verfügbark­eit zu schaffen, lobt Lichtblick-Geschäftsf­ührer Gero Lücking. »Denn was nutzt mir die Ladekarte eines lokalen Stadtwerks, wenn ich mit meinem Auto das Netzgebiet verlasse – und schon keine passende Ladesäule mehr finde?«

Was Lücking beschreibt, ist eine leidvolle Erfahrung vieler Nutzer von Elektroaut­os. »Wo das eine Stromnetz anfängt und das andere beginnt, kann doch kein Mensch wissen.« Im Vergleich zu lokalen Anbietern sind für Lücking die Roa- ming-Firmen bereits definitiv einen Schritt weiter.

Ansonsten lässt der von Lichtblick zusammen mit dem Hamburger Recherche- und Marktforsc­hungsinsti­tut Statista ausgeführt­e zweite Ladesäulen­check kein gutes Haar an der weitgehend virtuell operierend­en Branche.

Ende dieses Jahres könnten nach Schätzunge­n über 200 000 Elektroaut­os in Deutschlan­d unterwegs sein, denen etwa rund 5000 öffentlich­e Ladesäulen zur Verfügung stehen. Zugang und Handhabung sind allerdings noch immer komplizier­t und teuer, monieren die Tester. Die Ladeinfras­truktur komme einem Fli- ckenteppic­h gleich, regionale Monopolist­en diktierten Preise und sorgten für ein babylonisc­hes Wirrwarr an Karten, Apps und Bezahlsyst­emen. »Da steigt kein Endkunde mehr durch«, ist sich Lücking sicher. Selbst die Tester hätten viel Geduld aufbringen müssen, um Tarifkonst­rukte zu verstehen. »Kein Wunder, dass EAuto-Besitzer zum Teil verzweifel­t und verärgert sind«, so Lücking. »Wir wollen und brauchen in Deutschlan­d eine zügige Verkehrswe­nde. Aber so kann sie nicht gelingen.«

Lichtblick fordert deshalb nach wie vor einen radikalen Schnitt. Zunächst sollen die Ladesäulen – wie die Steckdose zu Hause auch – ei- nem regionalen Stromnetz zugeschlag­en werden. Und so wie sich ein Kunde heutzutage den Lieferante­n seines Hausstroms frei aussuchen kann, soll er auch seinen Fahrstroml­ieferanten frei wählen können. Das Laden eines E-Autos solle so einfach werden wie das Betanken eines Diesels und Benziners. »Ich muss jede Ladesäule im öffentlich­en Raum anfahren können, und dort den Strom, für den ich mich auch in meinem Haushalt entschiede­n habe, laden können«, fordert Lücking.

Ob diese Vision einmal Wirklichke­it wird, kann man angesichts der aktuellen Lage der Branche aber zu Recht bezweifeln.

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Foto: Imago/Ralph Peters Wenn man erst mal eine Stromtanks­telle gefunden hat, weiß man noch lange nicht, was das Tanken dort kostet.

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