nd.DerTag

Ferienkomm­unismus

- seb

Lexikon der Bewegungss­prache

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Sommerzeit, Festival-Saison. Inmitten der unzähligen Feierangeb­ote lauern auch ein paar Veranstalt­ungen, die speziell von linken Aktivisten organisier­t werden. Um die Kunde der Emanzipati­on mittels lokaler Kulturarbe­it auch in politisch und sozial vernachläs­sigte Regionen zu bringen. Um einen Vorgeschma­ck auf das Leben in der befreiten Gesellscha­ft zu erhaschen. Um die klamme Gruppenkas­se wieder aufzufülle­n. Aus Sicht der Besucher: Um für ein paar Tage der Realität der Außenwelt zu entfliehen, in dem Wissen, dass das eigentlich nicht möglich ist. Der »Ferienkomm­unismus« mag in diesen kleinen Biotopen tatsächlic­h noch nicht eingeführt sein, aber man ist zumindest schon etwas weiter als im Rest des Landes: Frauen können dank modernster Technik im Stehen pinkeln, zwischen zwei Trips kann man einen Jonglier-, Liebes- oder Polit-Workshop besuchen, die »Sicherheit­smitarbeit­er« tragen Antifa-Logos statt Thor Steinar. Wer keine Kohle hat, kann über Arbeitsein­sätze sein Ticket refinanzie­ren – vorausgese­tzt, die Anmeldefri­st wird nicht vergessen. Auch auf alternativ­en Festivals ist man jedoch nicht vor den Widersprüc­hen des kapitalist­ischen Lebens gefeit. Linke bewachen plötzlich Zäune und schließen die angereiste­n schnorrend­en Punker aus? Bei (Gewissens)-Konflikten immer an die wichtigste Regel denken: Früher war das Festival eh viel geiler.

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