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Aufstehen fürs Dableiben

Eine junge Schwedin stoppt ein Flugzeug – und die Welt schaut per Facebook zu

- Von Niklas Franzen * Name von der Redaktion verändert

Eine Schwedin filmte, wie sie eine Abschiebun­g verhindert­e.

Über Nacht wurde Elin Ersson zum Internetst­ar. Die junge Schwedin startete am Montagaben­d ein LiveVideo bei Facebook. Hunderttau­sende Mal wurde der Clip innerhalb von wenigen Stunden aufgerufen, Solidaritä­tsbekundun­gen kamen aus der ganzen Welt – aber auch Ablehnung und Hass schlugen der Studentin entgegen.

Was war passiert? Ersson befand sich in einem Flugzeug, das von Göteborg nach Istanbul fliegen sollte. Auf Englisch erklärt sie in dem Video, dass sich an Bord auch ein 52-jähriger Mann befindet, der nach Afghanista­n abgeschobe­n werden soll.

Die Schwedin läuft durch das Flugzeug und protestier­t lautstark gegen die Abschiebun­g, wo der Mann laut Ersson »mit großer Wahrschein­lichkeit« getötet wird. Ein Flugbeglei­ter versucht, sie dazu zu bewegen sich hinzusetze­n und will ihr sogar das Handy wegnehmen. Doch Ersson bleibt stur und fordert andere Fluggäste auf, ebenfalls aufzustehe­n: »Wenn die Leute stehen, kann der Pilot nicht abheben.« Einem Fluggast, der sich aufgrund eines Anschlussf­luges über ihre Aktion beschwert, ruft sie entgegen: »Ist ihr nächster Flug wichtiger als ein Menschenle­ben?«

Und Erssons Vehemenz zeigt Wirkung: Mehrere Fluggäste solidarisi­eren sich mit der Schwedin. Ein Fußballtea­m steht geschlosse­n auf und applaudier­t ihr zu. Daraufhin bricht die sichtlich gerührte Schwedin in Tränen aus.

Nach mehreren Minuten versichert ein Flugbeglei­ter, dass der Mann aus dem Flugzeug gelassen wird. Nachdem sich Ersson mehrmals versichert hat, dass der Mann

Ganz neu ist die Strategie nicht: Auch in Deutschlan­d kämpfen Aktivist*innen seit Jahren gegen Abschiebun­gen per Flugzeug.

wirklich aus dem Flugzeug steigen kann, verlässt sie die Maschine und das Video endet.

In sozialen Netzwerken wird die Schwedin als Heldin gefeiert. Ganz neu ist die Strategie aber nicht: Auch in Deutschlan­d kämpfen Aktivist*innen seit Jahren gegen Abschiebun­gen per Flugzeug. Die »Vernetzung gegen Abschiebun­g – Hessen/Mainz« hat einen Flyer veröffentl­icht, der Abschiebeo­pfer und Fluggäste darüber informiert, wie man eine Abschiebun­g verhindern kann. Lautstarke­s Protestier­en, Weigerung sich hinzusetze­n, Kontaktauf­nahme mit dem Piloten: Die Möglichkei­ten sind vielfältig. Da Piloten die Bordgewalt besitzen, können sie den Transport von Gästen, die nicht freiwillig fliegen, ablehnen.

»Es gibt mehrere Fälle, wie auf diese Weise Abschiebun­gen verhindert werden konnten«, sagt die Aktivistin Marie Schwarz* dem »nd«. »Wir wollen klar machen, dass es sich nicht um freiwillig­e Flüge handelt, sondern um gewaltvoll­e Abschiebun­gen.« Über die verhindert­e Abschiebun­g in Schweden sagt Schwarz: »Es ist super, dass das geklappt hat, wir freuen uns sehr.« Und auch in Deutschlan­d konnte so in der vergangene­n Woche eine Abschiebun­g verhindert werden: Ein Geflüchtet­er sollte aus Deutschlan­d abgeschobe­n werden. Er blieb stehen und nahm Kontakt zum Pilot auf. Dieser weigerte sich den Mann mitfliegen zu lassen und die Maschine flog ohne ihn los.

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