nd.DerTag

Die letzte Säule ist geschleift

Stephan Fischer über den Umbau des Obersten Gerichts in Polen

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Ganz verloren ist der europäisch­e Geist im östlichen Nachbarlan­d nicht – viele polnische Feuerwehrl­eute helfen seit Tagen ihren schwedisch­en Kollegen, Waldbrände zu bekämpfen. Auf der politische­n Ebene entfernt sich Warschau jedoch immer mehr von Europa und seinen Institutio­nen. Mit dem Umbau des Obersten Gerichts ist die letzte unabhängig­e Säule der Justiz nach dem Verfassung­sgericht und dem Landesrich­terrat geschleift. Dabei fällt vor allem die Rolle des Präsidente­n Andrzej Duda ins Auge: War es vor genau einem Jahr noch sein Veto, das die schon für den letzten Sommer geplanten »Justizrefo­rmen« zumindest teilweise stoppte, ist er nun eine treibende Kraft hinter ihnen gewesen. Es zeigt sich, dass Duda zwar seine eigene Agenda verfolgt, die nicht immer deckungsgl­eich mit jener der PiS, aus der er stammt, ist. Das Ziel eines starken, vor allem national ausgericht­eten, konservati­ven Staates eint aber Partei und Präsident.

Für das Ziel und die Methode gibt es für Warschau eine Blaupause – an der Donau in Budapest. Das lässt für das von Duda vorangetri­ebene Verfassung­sreferendu­m im November erahnen, wohin die Reise geht. Die EUInstitut­ionen scheinen den Ernst der Lage erkannt zu haben, was auch die EuGH-Entscheidu­ng zum Europäisch­en Haftbefehl zeigt. Aber für die Verteidigu­ng einer unabhängig­en polnischen Justiz ist es nun zu spät.

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