»Müssen die Dynamik stoppen«
UNO-Nahostbeauftragter warnt nach israelischem Flugzeugabschuss vor Eskalation
Israels Militär hat ein syrisches Kampfflugzeug abgeschossen. Es geht dabei auch um den alten Streit: Wem gehört der Golan? Was genau passiert ist, wird wohl nie genau geklärt werden: Israels Militär erklärt, das in Russland gebaute Kampfflugzeug des Typs Suchoi-22 sei »zwei Kilometer weit in den israelischen Luftraum« eingedrungen. Damit hätte sich der Jet über den von Israel seit 1973 besetzten Golanhöhen befunden; Israel hatte die dünn besiedelte und einst hart umkämpfte Anhöhe 1981 annektiert; der Schritt wurde bislang von keinem weiteren Staat anerkannt. Der syrischen Darstellung zufolge befand sich das Flugzeug indes im Luftraum über dem Teil des Golan, der offiziell unter syrischer Kontrolle steht.
Unstrittig ist, dass das Kampfflugzeug, nachdem Israels Militär BodenLuft-Raketen abgefeuert hatte, auf der Syrien zugewandten Seite der Waffenstillstandslinie abstürzte, mindestens einer der beiden Piloten dabei starb. Das syrische Verteidigungsministerium teilte mit, das Kampfflugzeug sei an Luftangriffen auf Stellungen des »Islamischen Staats« in der Nähe der Waffenstillstandslinie beteiligt gewesen, und auch in Israel geht man davon aus, dass die Piloten den Verlauf der Waffenstillstandslinie falsch berechnet und sich deshalb verflogen haben.
Dennoch ist vor allem bei den Vereinten Nationen die Besorgnis derzeit groß: Schon 2014 hatte Israel ein syrisches Kampfflugzeug abgeschossen; Anfang des Jahres feuerte das Militär auf eine Drohne, die nach israelischer Darstellung in Iran gebaut worden und bewaffnet gewesen sei. Zudem hat die Zahl der israelischen Luftangriffe auf syrische Militärbasen in den vergangenen Monaten stark zugenommen: Israel wirft den iranischen Revolutionsgarden vor, dort Basen eingerichtet zu haben, fordert deren Abzug: »Keinesfalls werden wir iranische Truppen vor unserer Haustür akzeptieren«, erklärte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman am Mittwoch, und Regierungschef Benjamin Netanjahu forderte einmal mehr, die Waffenstillstandsvereinbarung zwischen Israel und Syrien aus dem Jahr 1974 sei zwingend einzuhalten: Damals hatte man sich auf die Einrichtung einer Pufferzone entlang der Waffenstillstandslinie geeinigt. eine Blauhelmmission wurde eingerichtet, um die Einhaltung der Vereinbarung zu überwachen. Der Vertrag gilt als einer der größten Erfolge der Nahostdiplomatie.
Der Abschuss des syrischen Kampfflugzeuges ereignete sich nur wenige Stunden vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates, in der auch der UNO-Nahostbeauftragte Nikolai Mladenow (Bulgarien) per Fernschaltung aus Jerusalem Bericht erstattete; sein nüchternes Urteil: »Die Spannungen zwischen Israel und Syrien nehmen zu«, und, auch mit Blick auf die wiederholten Konflikte zwischen Israel und der Hamas: »Wenn wir jetzt nicht versuchen, die Dynamik zu stoppen, ist eine Explosion unvermeidbar.«
Aus syrischer Sicht geht es derzeit vor allem darum, auch den Südwesten des Landes unter die Kontrolle von Regierungstruppen zu bringen; das Problem aus israelischer Sicht dabei ist allerdings, dass das syrische Militär dafür sehr nah, oft nur wenige Meter, an Waffenstillstandslinie und Pufferzone agieren muss, und sich auch Milizen in die Pufferzone zurückgezogen haben. Israels Militär duldete dies Jahre lang, weil diese Milizen das syrische Militär und die an dessen Seite kämpfende libanesische Hisbollah von den Golanhöhen fern hielten.
Nach eigener Darstellung erhält das syrische Militär nun Hilfe von iranischen »Militärberatern«, während vor allem Israels Regierungschef immer wieder behauptet, die Revolutionsgarden hätten auch Kampfeinheiten in Syrien stationiert.
Als Vermittler fungiert derzeit vor allem der russische Präsident Wladimir Putin; am Dienstag sprach eine russische Delegation mit Netanjahu über die Syrien-Thematik: Im Raum steht das Angebot, iranisches Militär mindestens 100 Kilometer von der Waffenstillstandslinie fernzuhalten; dies habe man mit den Revolutionsgarden vereinbart, sagt ein Sprecher der russischen Botschaft in Israel; Medienberichten, Israel habe das Angebot abgelehnt, widersprach er.
Das russische und das israelische Militär koordinieren bereits seit Monaten ihre militärischen Aktivitäten in und um Syrien herum, um nicht unbeabsichtigt aneinander zu geraten. Aus diesem Grund wusste das israelische Militär auch bereits sehr frühzeitig, dass es sich bei dem Kampfflugzeug nicht um eine russische Maschine handelte.