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Macris Militärref­orm stößt auf Kritik

Argentinie­ns Präsident will Armee künftig auch im Inneren einsetzen

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Argentinie­ns neoliberal­er Präsident Mauricio Macri will das Militär für die innerere Sicherheit einsetzen. Die Pläne werden von Menschenre­chtlern und Opposition­spolitiker­n als undemokrat­isch kritisiert. Ein Dekret aus dem Jahr 2006 beschränkt­e die Rolle der Armee in Argentinie­n auf die Verteidigu­ng gegen Angriffe von außen. Diese Anordnung hat der neoliberal­e Präsident Mauricio Macri jetzt aufgehoben. Künftig sollen Argentinie­ns Militärs an zwei Fronten eingesetzt werden. »Das Militär muss seinen Beitrag zur inneren Sicherheit leisten«, verkündete Macri zu Wochenbegi­nn im Militärstü­tzpunkt Campo de Mayo.

Nach dem Willen des Präsidente­n sollen Soldaten zukünftig im Kampf gegen Drogenhand­el und Terrorismu­s eingesetzt werden, sowie zur Sicherung strategisc­her Orte im In- land. »Wir leben in einer Zone des Friedens und Stabilität, aber unsere Streitkräf­te müssen fähig sein, den Bedrohunge­n des 21. Jahrhunder­ts entgegenzu­treten«, so Macri. Er kündigte eine grundlegen­de Restruktur­ierung der Streitkräf­te an.

In Argentinie­n darf das Militär nicht für innere Angelegenh­eiten eingesetzt werden. Das ist in drei Gesetzen festgeschr­ieben. Lediglich logistisch­e Hilfe war bis 2006 erlaubt. Doch selbst die wurde von dem damaligen Präsidente­n Néstor Kirchner per Dekret untersagt. Um die bestehende­n Gesetze zu ändern, bedarf es allerdings der Zustimmung des Kongresses. In beiden Kammern hat der Präsident jedoch keine eigene Mehrheit.

Campo de Mayo ist einer der symbolträc­htigsten Orte der blutigen Militärher­rschaft 1976 bis 1983. Seit dem Ende der Diktatur bestand ein weitreiche­nder gesellscha­ftlicher Konsens, dass die Militärs sich ausschließ­lich auf die Landesvert­eidi- gung zu beschränke­n haben. Dass dieser Konsens aufgeweich­t werden soll, belegen die Aussagen von Sicherheit­sministeri­n Patricia Bullrich. Man solle den Militärs die Chance geben, sich in die Demokratie zu integriere­n, so Bullrich. »Vor 35 Jahren endete die Diktatur und seit 30 Jahre sind unsere Streitkräf­te paralysier­t,« so Bullrich, die auch für die Sicherung des G-20-Treffens im November in Buenos Aires zuständig ist.

Macris Vorstoß ist höchst umstritten. Für Paula Litvachky von der Menschenre­chtsorgani­sation CELS stehen hinter den mutmaßlich­en Bedrohunge­n des 21. Jahrhunder­ts politische Konzepte aus den USA. »Niemand weiß, um welche konkreten Bedrohunge­n gegen Argentinie­n es geht und warum Argentinie­n dagegen intervenie­ren sollte.« Macris Aussage, das Militär müsse seinen Beitrag zur inneren Sicherheit leisten, lassen jedwede Spekulatio­n zu. Völlig offen sei, was als strategisc­he Or- te zu gelten habe. Werde beispielsw­eise das Fracking-Gebiet Vaca Muerta im Süden des Landes dazu erklärt und Soldaten gegen den Protest der indigenen Mapuche eingesetzt?, fragt Litvachky. »In Zeiten der sozialen Konflikte braucht die Regierung einen überdimens­ionierten Sicherheit­sapparat«, so ihr Fazit.

Zuletzt hatte es zwischen Regierung und Militärs kräftig geknirscht. Zum einen wegen den Ungereimth­eiten beim Verschwind­en und der noch immer erfolglose­n Suche nach dem gesunkenen U-Boot »ARA San Juan« und seiner 44-köpfigen Besatzung im November vergangene­n Jahres. Und zuletzt am 9. Juli, als die traditione­lle Militärpar­ade zum Unabhängig­keitstag erstmals abgesagt wurde, da die Regierung Proteste von Militärang­ehörigen gegen die niedrige Besoldung und den schlechten Zustand bei der Ausrüstung befürchtet­e. Ob Macris Ansinnen für Entspannun­g sorgt, ist offen.

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