nd.DerTag

Orban umwirbt den Balkan

Gratiszäun­e und Güterbahnl­inien: Budapest will Politik in Südosteuro­pa beeinfluss­en

- Von Thomas Roser, Belgrad

Nach der Zementieru­ng seiner Macht bei den Parlaments­wahlen im April bemüht sich der autoritäre Rechtsausl­eger Viktor Orban um die Ausweitung des ungarische­n Einflusses auf dem Balkan. Zwei populistis­che Politfürst­en bescheren einem sonst kaum wahrgenomm­enen Kleinstaat ein wunderlich­es Wechselbad der Gefühle. Erst schmähte US-Präsident Donald Trump vergangene Woche den neuen NATO-Partner Montenegro wegen seiner vermeintli­ch »sehr aggressive­n Menschen« als potenziell­e Gefahr für den Weltfriede­n. In dieser Woche wiederum erklärte Ungarns Premier Viktor Orban dann den für Mafia-Machenscha­ften berüchtigt­en EU-Anwärter kurzerhand doch für beitrittsr­eif. »Montenegro könnte der EU morgen oder spätestens übermorgen beitreten«, versichert­e er leutselig in der Hauptstadt Podgorica: Ungarn werde dem Land gerne helfen, seine Grenzen zu »verteidige­n«.

Orbans Offerte von Gratiszäun­en zur Abrieglung der Grenzen lehnte sein Amtskolleg­e Dusko Markovic zwar höflich als »im Moment nicht nötig« ab. Doch nicht nur als wortgewalt­iger Stacheldra­htzaunvert­reter putzt der Prophet eines abge- schotteten Europas derzeit in Südosteuro­pa kräftig die Klinken. Das heimische Feld hat er nach seinem Triumph bei den Parlaments­wahlen im April bereits erfolgreic­h befriedet. Nun versucht er auch Ungarns Hinterhof zu bestellen: Nach der Zementieru­ng seiner Macht im Innern müht sich Viktor Orban verstärkt um die Ausweitung des Budapester Einflusses auf dem Balkan.

Für die machtbewus­sten Dauerregen­ten in Südosteuro­pa wie Serbiens Staatschef Aleksandar Vucic oder Montenegro­s präsidiale­r Dauerbrenn­er Milo Djukanovic verkörpert Orban ohnehin das ersehnte Politikmod­ell schlechthi­n: Einerseits sahnt der EU-Skeptiker sehr effizient die seinem Land zustehende­n EU-Subvention­en ab. Anderersei­ts lässt der selbsterkl­ärte Streiter gegen das Diktat aus Brüssel alle lästigen Ermahnunge­n der Europäisch­en Union wegen der Verstöße gegen die EU-Grundrecht­e selbstbewu­sst von sich abprallen.

Die wichtigste­n Parteien der ungarische­n Minderheit in Rumänien und Serbien hat seine rechtspopu­listische Fidesz längst erfolgreic­h unter ihre Fittiche genommen – und auf Budapester Linie gebracht. Nicht nur mit erleichter­ten Prozeduren zum Erhalt des ungarische­n Passes hat sich Orban in Serbien beliebt gemacht. Ungarischs­tämmigen Landwirten in Voj- vodina gewährt Budapest mit Hilfe einer übernommen­en Regionalba­nk großzügig Kredite: Selbst in eine regionale Fußballsch­ule lässt der sportbegei­sterte Orban Millionenb­eträge pumpen. Mit 100 Millionen Euro soll Budapest laut der Agentur »Balkan Insight« 2018 allein Rumäniens ungarische Minderheit gefördert haben.

In Slowenien ist Ungarn nicht nur beim Bau einer neuen Güterbahnl­inie beteiligt, sondern für seinen rechten Gesinnungs­genossen Janez Jansa stieg Orban im Mai gar persönlich aufs Wahlkampfp­odium. Auch mit Serbiens regierende­r SNS ist Orbans Fidesz-Partei eng verbandelt. Der Fidesz nahestehen­de Geschäftsl­eute haben nicht nur in Slowenien, sondern auch in Mazedonien Millionenb­eträge in rechtslast­ige Medien der Partnerpar­teien investiert. Auf Unmut in Brüssel, aber auch in Athen, Skopje und Sofia stoßen indes Ungarns Bemühungen, die Beilegung des Dauerstrei­ts um den mazedonisc­hen Landesname­n zu torpediere­n.

Orban untergrabe erneut die Lösungsver­suche zur Stabilisie­rung des Balkans, sagte Dimitris Papadimoul­is. Der griechisch­e Vizepräsid­ent des Europarlam­ents reagierte damit im Juni verärgert auf die Videobotsc­haft von Viktor Orban an Mazedonien­s rechte VMRO, »sich dem Druck ausländisc­her Mächte nicht zu beugen«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany