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Wie reagiert die Zentralban­k auf Trump?

Handelsstr­eit mit den USA bestimmt das Treffen der europäisch­en Notenbanke­r in Frankfurt

- Von Hermannus Pfeiffer

Manipulier­t EZB-Präsident Draghi den Euro? Dass twittert der US-Präsident. Doch die Welt der Geldpoliti­k ist viel komplizier­ter. Und irgendwie hängt wieder mal alles mit allem zusammen. Auf das letzte Treffen vor der Sommerpaus­e schauen die profession­ellen Beobachter gelangweil­t. Grundlegen­de Entscheidu­ngen der Herrscher des Euro erwartet die Mehrzahl der Finanzanal­ysten nicht. Doch wichtiger als die Entscheidu­ngen sind die Erwartunge­n, die Mario Draghi und sein Rat der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) wecken werden. Mit Spannung schauen die Profis daher auf die abschließe­nde Pressekonf­erenz Draghis am Donnerstag­nachmittag: Reagiert die EZB auf US-Präsident Donald Trump?

Der EZB-Chef sorgt sich nicht allein um den Handelskon­flikt um Sonderzöll­e, den Trump mit Kanada, China und Europa entfacht hat. Das ist aus Sicht der Notenbanke­r eigentlich Sache der Regierunge­n. Draghi und seine Kollegen schauen lieber auf die Zinsen. Schließlic­h ist der Leitzins ihre stärkste Waffe im Kampf um eine solide Währung.

Zinsen sind wichtig für Kredite. Und Kredite sind wichtig für das Wirtschaft­swachstum. Wenn die Banken weniger Kredite vergeben, wird die Gefahr einer Rezession größer. Damit der Motor des Kapitalism­us richtig schön brummt, müssen die kurzfristi­gen Zinsen niedriger als die langfristi­gen sein. Denn Banken leihen sich kurzfristi­g Geld zu kurzfristi­gen Zinsen und verleihen es langfristi­g. Die langfristi­gen Zinsen orientiere­n sich an den länger laufenden Staatsanle­ihen.

Doch die kurzen und langen Renditen amerikanis­cher Staatsanle­ihen nähern sich seit dem Jahreswech­sel nach und nach bedrohlich an. In der Vergangenh­eit waren zehnjährig­e US-Anleihen bis zu drei Prozentpun­kte teurer als zweijährig­e. Aber aktuell liegen beide nur noch rund 0,5 Prozent auseinande­r. In Deutschlan­d oder Frankreich verläuft dagegen die Zinskurve weiterhin unauffälli­g.

Hinter dem US-Zinstrend steht die Sorge um die US-Wirtschaft. Trumps Streiterei­en könnten die Konjunktur belasten. In den Vereinigte­n Staaten reden Analysten und Anleger angesichts des negativen Zinstrends in diesem Sommer über eine kommende Rezession, also das Schrumpfen der Wirtschaft.

Dazu müsste, merken Ökonomen an, die Zinskurve allerdings »invers« verlaufen, die kurzfristi­gen Zinsen also höher als die langfristi­gen sein. Banken würden dann bald in Zahlungssc­hwierigkei­ten geraten und praktisch ihre Kreditverg­abe einstellen. Nach einer Analyse der US-Notenbank Fed ging jeder Wirtschaft­skrise seit 1950 eine solche inverse Zinskurve voraus. Eine Krise in den USA würde auch Europa treffen. EZBPräside­nt Draghi sorgt sich noch um weitere Baustellen. Zwar ist die Stimmung in den Unternehme­nsvorständ­en in den meisten Ländern noch bestens, doch der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) warnte wiederholt vor globalen Konjunktur­risiken.

Erst am Dienstag legte IWF-Chefvolksw­irt Maurice Obstfeld nach: Die Ungleichge­wichte in den Handelsund Leistungsb­ilanzen seien bedrohlich: Deutschlan­d, Niederland­e, Schweden, China, Singapur und Südkorea hätten zu hohe Überschüss­e – USA, Großbritan­nien, Türkei und andere zu hohe Defizite. Die Weltwirtsc­haft sei in Schieflage geraten wie selten zuvor.

Vor Draghi ballen sich nun die Probleme auf. Der Euroraum steckt mit Ausnahme von Deutschlan­d in einer Wachstumsd­elle. Das spricht dafür, dass der Italiener den Leitzins nahe Null belässt, um Kredite an Unternehme­n weiterhin zu pushen.

Anderseits wird vom EU-Statistika­mt Eurostat die jährliche Inflation im Euroraum schon auf zwei Prozent geschätzt. Damit wäre die politische Zielvorgab­e der EZB von unter, aber nahe zwei Prozent bereits überschrit­ten. Folglich könnte Draghi am Donnerstag signalisie­ren, wann genau der Leitzins erhöht werden könnte. Das hätte Folgen bis hin zur privaten Altersvors­orge in Deutschlan­d.

Die amerikanis­che Notenbank hatte nach einer langen Nullzinsph­ase infolge der Finanzkris­e zuletzt ihren Leitzins wiederholt angehoben. Die EZB solle endlich folgen, fordert Donald Trump. »China, die EU und andere haben ihre Währungen mani- puliert«, behauptete der amerikanis­che Präsident über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Der Dollar werde durch die Manipulati­onen immer teurer. Und das schwäche die Wettbewerb­sfähigkeit der Vereinigte­n Staaten, weil US-Produkte internatio­nal teurer würden.

Ganz daneben liegt Trumps Kritik nicht. Der Euro müsste eigentlich 1,30 statt 1,17 Dollar kosten, meint das Münchner Ifo-Institut. Wenn es nach der Kaufkraft ginge. Tut es aber bei Währungen nicht wirklich, wie der »Big-Mac-Index« zeigt. Danach kostet ein solches Brötchen mit Fleischauf­lage in den USA fünf Dollar, in anderen Ländern aber umgerechne­t weniger als einen Dollar oder auch über sechs Dollar.

Am Donnerstag wird Draghi an seinen Aussagen vom Juni gemessen werden. Da hatte er angekündig­t, die umstritten­en Käufe von Staatsanle­ihen der Euroländer zum Jahresende einzustell­en. Voraussetz­ung dafür ist, dass sich die Inflations­rate bis dahin weiter in der Nähe der von der EZB angestrebt­en Rate hält. Den Leitzins wird die EZB, so Präsident Draghi, dann aber bis »mindestens über den Sommer 2019 hinweg« auf dem Rekordtief von null Prozent halten. Man darf gespannt sein.

Die US-Notenbank hat nach einer langen Nullzinsph­ase zuletzt ihren Leitzins wiederholt angehoben. Die EZB solle endlich folgen, fordert Donald Trump.

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