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Ab in den Müll?

Sind Temperatur­en und Luftfeucht­igkeit hoch, schimmeln Lebensmitt­el besonders schnell – dabei können giftige Stoffe entstehen

- Von Angela Stoll

Vor allem an Lebensmitt­eln mit einem hohen Wasserante­il entsteht schnell Schimmel. Bei Äpfeln und hartem Käse reicht es, die Stellen großzügig zu entfernen. Eine Schale reifer, duftender Erdbeeren: Wer bekommt da nicht Appetit? Aber wie groß ist die Enttäuschu­ng, wenn sich unten im Behälter ein matschiges Exemplar mit weißlichem Bewuchs findet. Muss jetzt die ganze Schale in den Müll? Und wie schädlich ist Schimmel an Lebensmitt­eln überhaupt?

Einfache Antworten gibt es darauf leider nicht. Zunächst einmal: Die Gefahr geht nicht vom Pilz selbst, sondern von den sogenannte­n Mykotoxine­n aus. Das sind giftige Stoffwechs­elprodukte, die entstehen können, wenn Pilze Lebensmitt­el zersetzen. Doch längst nicht alle Schimmelpi­lze bilden bedenklich­e Stoffe – so ist etwa der Edelschimm­el im Roquefort völlig harmlos. Und auch wenn Gifte entstehen, kann man pauschal wenig über ihre Wirkung sa- gen: »Es gibt viele verschiede­ne Mykotoxine«, erklärt Rolf Geisen, Experte für Lebensmitt­elmykologi­e am Max-Rubner-Institut in Karlsruhe. Manche, etwa Aflatoxine, die unter anderem in Nüssen vorkommen können, sind für Menschen sehr gefährlich, andere weniger.

Doch als Laie kann man nicht einschätze­n, um welche Art von Schimmel es sich handelt. Farbe und Geruch besagen wenig. »Um den Pilz zu bestimmen, muss man Experte sein«, sagt der Lebensmitt­eltechnolo­ge. Überhaupt ist das Auge hier nicht sehr verlässlic­h. »Das, was man sieht, ist nur der Fruchtkörp­er des Pilzes«, erklärt Geisen. Das fadenförmi­ge Myzel, also der eigentlich­e Pilz, bleibt meistens unsichtbar. Brot kann zum Beispiel komplett vom Pilz befallen sein, auch wenn nur ein kleines Pünktchen Schimmel sichtbar ist. Wie schnell das Myzel wächst, hängt unter anderem von Zusammense­tzung und Beschaffen­heit des Lebensmitt­els ab. So heißt es beim Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR): »Je flüssiger die Lebensmitt­el sind, desto schneller ist die Ausbreitun­g des Schimmels und seiner Toxine möglich.«

Im Zweifelsfa­ll ist es besser, die Lebensmitt­el wegzuwerfe­n. Braten, kochen oder backen kann dem Gift wenig anhaben: Mykotoxine sind weitgehend hitzestabi­l. Auch verfüttern sollte man Schimmlige­s nicht, da die Toxine Tieren schaden und zudem in Fleisch oder Eier hineingera­ten können. Je nach Art und Menge des Toxins kann es zu akuten Vergiftung­serscheinu­ngen wie Magen-Darm-Beschwerde­n oder Zittern kommen. Wenn man Stoffe wie Aflatoxine über längere Zeit in höheren Dosen aufnimmt, sind Spätfolgen wie Krebs denkbar. Wer jedoch nur einmal ein Stückchen angeschimm­eltes Brot isst, muss nicht gleich mit fatalen Folgen rechnen. Dennoch sollten vor allem schwangere Frauen, kleine Kinder und alte Menschen vorsichtig sein.

Im Einzelnen gelten verschiede­ne Regeln für verschiede­ne Lebensmitt­el. Sobald sich etwa auf einem Laib Brot auch nur ein kleiner Schimmelfl­eck gebildet hat, gibt es für den Lebensmitt­eltechnolo­gen Rolf Geisen nur eines: »Wegwerfen!«. Auf der po- rösen Struktur von Brot kann sich das Myzel leicht ausbreiten – möglicherw­eise ist also das ganze Stück durchwachs­en, ohne dass man es sieht. Zum Schutz vor Verderb sollte man Brotkästen einmal pro Woche reinigen und mit Essigwasse­r auswischen, empfiehlt das BfR.

In Früchten mit hohem Wasserante­il, darunter Pfirsiche oder Tomaten, breitet sich Schimmel ebenfalls schnell aus. Daher muss man sie komplett wegwerfen, sobald sie an einer Stelle faulen. In einer Schale mit Erdbeeren kann ein schimmlige­s Exemplar bereits andere Früchte angesteckt haben. Daher sollte man die verdorbene Beere mitsamt ihrer »Nachbarn« wegwerfen. Den Rest kann man durchaus noch essen, meint Geisen. Weniger problemati­sch sind Äpfel: »Da reicht es, die faulige Stelle großzügig abzuschnei­den.« Das Mykotoxin Patulin, das sich auf fauligem Kernobst bildet, dringt nur bis zu zwei Zentimeter tief in den Apfel ein.

Anders ist es bei verarbeite­ten Früchten, etwa in Marmelade: »Angeschimm­elte Konfitüren und Gelees sollten grundsätzl­ich weggeworfe­n werden«, heißt es beim BfR. Haben die Zubereitun­gen einen hohem Zuckerante­il, reiche es allerdings, die schimmlige Stelle großzügig zu entfernen, meint der Lebensmitt­elexperte Geisen.

Bei harten Käsesorten wie Parmesan genügt es, die schimmlige Stelle und ihre Umgebung herauszusc­hneiden. Auch luftgetroc­knete Wurst und Schinken sind noch genießbar, wenn man betroffene Stellen großzügig entfernt. Joghurt oder Quark, auf dem sich bereits grün-weißliche Flecken gebildet haben, gehören hingegen komplett in die Tonne.

Besondere Vorsicht gilt bei Nüssen und Gewürzen. Insbesonde­re exotische Nüsse wie Pistazien und Paranüsse, aber auch Gewürze und Trockenfrü­chte können mit dem sehr giftigen Aflatoxin belastet sein. Daher sollten alle Produkte, die verfärbt sind, muffig riechen oder schimmlig aussehen, in den Müll. Gewürze sollten besser nicht über dem Herd aufbewahrt werdenen: Dort ist es warm und feucht, sodass sie schneller verderben. Also lieber kleine Mengen kaufen und rasch verbrauche­n.

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