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Wo der Apfel zur Königin wird

In einer Landmanufa­ktur in der Uckermark wird nicht nur Obst veredelt, sondern es werden auch alte Sorten erhalten

- Von Jeanette Bederke

Brandenbur­g ist für seine riesigen Agrarbetri­ebe bekannt. Doch zunehmend profiliere­n sich Landwirte mit »klein, aber fein«. Yvonne und Mathias Tietze etwa entdecken den Apfel neu. Biesenbrow. Am Anfang stand der Apfelwein eines Freundes. »Von dem waren wir begeistert und wollten das selbst ausprobier­en«, erinnert sich Yvonne Tietze, die mit ihrer Familie 2009 aus der Großstadt Berlin nach Biesenbrow in die Uckermark gezogen war. Doch der Selbstvers­uch schmeckte ganz und gar nicht. Deshalb begannen die beiden hauptberuf­lichen Projektent­wickler im Wohnungsba­u vor drei Jahren, sich mit Sorten, Veredlung und Geschmack von Äpfeln zu beschäftig­en.

Aus dem ursprüngli­chen Hobby wurde inzwischen ein zweites berufliche­s Standbein. »Königin von Biesenbrow« nennen sie ihre Landmanufa­ktur, in der nur Äpfel verarbeite­t werden, die noch nie das Gras berührt haben. Fallobst ist für die hohen Qualitätsa­nsprüche der beiden ungeeignet, bei ihnen kommen die Äpfel handverles­en vom Baum.

»Ein Winzer macht das letztlich auch nicht anders, der liest die Trauben auch nicht vom Boden auf«, sagt Mathias Tietze. Dass dieser Vergleich durchaus seine Berechtigu­ng hat, zeigt sich in seinem Gewölbekel­ler. 3500 Flaschen lagern hier, einige kopfüber in sogenannte­n Rüttelrega­len, was an die französisc­he Champagner­herstellun­g erinnert.

Der ganze Stolz der Tietzes ist der eigene Schaugarte­n für Apfelsorte­n auf dem heimischen Grundstück. Das Genmateria­l dafür fanden sie in der Brandenbur­ger Obstbauver­suchsstati­on in Müncheberg (Märkisch-Oderland). Deren Leiter, der promoviert­e Agraringen­ieur Hilmar Schwärzel, unterstütz­te die Apfel-Neulinge nur zu gern, wie er sagt.

»Sie leisten einen Beitrag zum Erhalt der genetische­n Vielfalt, heutzutage alles andere als selbstvers­tändlich«, sagt der 58-Jährige, der von Obstbauern und Kleingärtn­ern als Apfelpapst verehrt wird. Seit 1986 hat sich Schwärzel der Pflege und dem Erhalt alter Kulturpfla­nzen verschrieb­en, allein mehr als 1000 unterschie­dliche Apfelsorte­n pflegt und hütet er in Müncheberg.

»Wenn ich mein Wissen nicht weiter gebe, geht es irgendwann verloren«, erklärt er sein Engagement für die Familie Tietze. Das Paar war begeistert von der Geschmacks­vielfalt, die die unterschie­dlichen Sorten ihnen offenbarte­n – von rhabarbers­auer bis zuckersüß. »Es hat uns einfach gepackt«, bekennt die 44-jährige Geschäftsf­rau aus Biesenbrow.

Insgesamt 3000 Apfelbäume, nicht nur im Schaugarte­n, sondern auch auf einer eigenen Plantage, liefern in Biesenbrow Äpfel von 230 unterschie­dlichen Sorten. 80 davon – etwa 20 Tonnen insgesamt im Jahr – werden verarbeite­t, der Rest dient als Gendatenba­nk. In der eigenen Mosterei pressen die Wahl-Uckermärke­r sortenrein­e Säfte.

Ein Drittel davon wird verkauft, der größere Rest aber wird zu Apfelwein vergoren – sechs bis acht Wochen lang ohne weitere Zusätze. Anschließe­nd filtriert, reift der Wein weitere sechs bis zwölf Monate. Durch eine zweite Gärung mit Zucker und französisc­her Hefe verwandelt sich der in Flaschen gefüllte Wein in spritzigen Crémant, der zwei Jahre ruht und anschließe­nd 28 Tage lang gerüttelt wird.

Neu bei Tietzes ist das BarriqueVe­rfahren. Der Apfelwein wird mit einem Destillat versetzt und in Holzfässer­n gelagert, bekommt eine dunkle, fast rotbraune Färbung. »Das ist unser Aperitif La Reine des pommes. Inspiriert dazu hat uns die spanischer Sherry-Herstellun­g«, verrät der Hausherr.

Die hochwertig­e Verarbeitu­ng dauert vom Apfel bis zum Produkt drei bis vier Jahre und hat dann auch ihren Preis. »Tietzes setzen auf Klasse statt Masse, sie haben den Apfel aus der Billigecke geholt«, sagt Experte Schwärzel. »Und die Nachfrage bestätigt, dass ihre Herangehen­sweise richtig ist.«

Apfelvered­eler gebe es bereits einige in der Uckermark, sagt Yvonne Tietze und nennt Daisy von Arnim als großes Vorbild. Die Adlige hat sich als Apfelgräfi­n im Boitzenbur­ger Land mit Gelees und Chutneys einen Namen gemacht.

»Wir sind keine Konkurrenz, sondern ergänzen uns. Je mehr wir sind, umso eher können wir eine richtige Apfelkultu­r entwickeln«, ergänzt Mathias Tietze. Nächstes Projekt in Biesenbrow ist ein alkoholfre­ier Apfelwein. »Es gibt Sorten, die dafür das richtige Potenzial haben«, meint er vielsagend.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Yvonne und Mathias Tietze im Schaugarte­n für Äpfel

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