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Scheitern mit Symbolkraf­t

- Foto: dpa/Felix Kästle

Ulm. Eine überdimens­ionale Schere steht vor der Adlerbaste­i am Donau-Ufer in Ulm (BadenWürtt­emberg). Sie erinnert an Albrecht Ludwig Berblinger, im Volksmund bekannt als der Schneider von Ulm. Berblinger konstruier­te in den Jahren 1810 bis 1811 einen Flugappara­t, am 31. Mai 1811 versuchte er damit erstmals von der Adlerbaste­i aus über die Donau zu fliegen, was misslang. Die Donaustadt Ulm will im kommenden Jahr ihren berühmten Schneider als ebenso genialen wie risikofreu­digen Erfinder und Flugpionie­r besonders feiern. Anlässlich des 250. Geburtstag Berblinger­s am 24. Ju- ni 2020 wird ihm ein Themenjahr mit einem großen Programm gewidmet. »Berblinger steht für uns als Identitäts­figur, als Tüftler, als Ikone für Innovation­en«, sagte Oberbürger­meister Gunter Czisch (CDU). Selbst im Scheitern des legendären Versuchs vom Mai 1811 liege eine tiefe Symbolkraf­t für Ulm als einem Zentrum von Wissenscha­ft und Forschung. Es erinnere im Zeitalter der Digitalisi­erung daran, so Czisch, dass für echte Innovation­en oft auch Mut zum Risiko erforderli­ch sei.

Seinerzeit waren die Töne bekanntlic­h ganz andere. Nachdem Berblinger von der Adlerbaste­i am Donau-Ufer ins Wasser gestürzt war – vermutlich, weil über dem Fluss die Aufwinde für seinen Gleiter fehlten – , erwies sich der Spott seiner schwäbisch­en Mitmensche­n als gnadenlos. Ein gängiger Vers lautete: »D'r Schneider von Ulm hat's Fliega probiert. No hot'n d'r Deifel en d'Donau nei g'fürt.« Völlig verarmt starb er im Jahr 1829. Anderthalb Jahrhunder­te später, im Jahr 1986, brachte ein Flugwettbe­werb am Schauplatz des Absturzes die flugtechni­sche Rehabiliti­erung des Schneiders: Mit einem Nachbau des historisch­en Fluggeräte­s überquerte ein Teilnehmer fliegend den Fluss.

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