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»Systematis­ch Rechtsschu­tz verwehrt«

Kieler Staatsanwä­ltin droht der Prozess

- Von Karen Katzke, Kiel

Es geht etwa um Löwen, Tiger, Pferde, Hunde, Kaninchen. Eine Kieler Staatsanwä­ltin soll als Dezernenti­n für Tierschutz das Recht gebeugt haben, als sie Dutzende Tiere – etwa von Zirkussen – beschlagna­hmen und notverkauf­en ließ. Ihr wird vorgeworfe­n, die Widerspruc­hsrechte der Besitzer missachtet zu haben. Tierhalter gingen auf die Barrikaden, Schleswig-Holsteins Justizmini­sterium und Generalsta­atsanwalt schritten ein. Der Fall beschäftig­te auch Landtagsab­geordnete. Der 42-jährigen Juristin droht ein Prozess.

Die Vorwürfe im Detail: Tiger, Löwen und Krokodile sollen aus Zirkussen abtranspor­tiert und per Notverkauf unter anderem nach Belgien vermittelt worden sein. Auch Rinder, Pferde, Hunde, Kaninchen und Katzen wechselten die Besitzer, ohne dass die Betroffene­n Gelegenhei­t erhielten, dagegen anzugehen. Sie mussten laut Anklage mit ansehen, wie ihre Tiere verladen und weggeschaf­ft wurden – oft unterstütz­t von einem entspreche­nden Polizeiauf­gebot. Das im Rechtsstaa­t zwingend gebotene rechtliche Gehör fanden die Eigentümer demnach nicht.

Auf Anordnung des Generalsta­atsanwalts ermitteln Staatsanwä­lte aus Itzehoe seit 2014 gegen die Beamtin. Sie werfen der Kol-

Die Staatsanwä­ltin soll zu Unrecht Dutzende Tiere – etwa in Zirkussen – beschlagna­hmt haben.

legin Rechtsbeug­ung, Verfolgung Unschuldig­er und Diebstahl vor. Für Rechtsbeug­ung drohen laut Strafgeset­zbuch zwischen einem und fünf Jahren Haft. In vier Anklagen trugen die Ermittler bisher zehn Fälle zusammen, sagte Oberstaats­anwalt Peter MüllerRako­w. Die Staatsanwä­ltin ist vorläufig des Dienstes enthoben, ihre Bezüge wurden um 25 Prozent gekürzt. Ihre Klage dagegen wies das Verwaltung­sgericht Schleswig als unbegründe­t ab.

In ihrer Entscheidu­ng sind die Verwaltung­srichter sehr deutlich: Es gehöre zu den dienstlich­en Pflichten einer Staatsanwä­ltin, Straftaten rechtsstaa­tlich aufzukläre­n und Beschuldig­ten ein neutrales Verfahren zu gewährleis­ten. Eine Beamtin, die »systematis­ch verfahrens­widrig Rechtsschu­tz verwehrt«, um eigene Vorstellun­gen von Rechtmäßig­keit durchzuset­zen, verletze das in sie gesetzte Vertrauen aufs Schwerste.

Nun ist das Kieler Landgerich­t am Zug. Es muss die Anklagen der Staatsanwa­ltschaft Itzehoe zulassen, bevor das Hauptverfa­hren eröffnet werden kann. Doch die Entscheidu­ng zieht sich. Die Prüfung der komplexen Sachverhal­te dauere an, sagt Gerichtssp­recher Sebastian Pammler auf Anfragen immer wieder. Ein Prozessbeg­inn noch in diesem Jahr scheint ungewiss: »Ich kann nichts dazu sagen. Haftsachen haben Vorrang«, so Pammler.

Interessan­t in diesem Zusammenha­ng: Das Finanzmini­sterium in Schleswig-Holstein hat im Haushaltse­ntwurf für 2019 den Etat für Abfindunge­n und Entschädig­ungen von 450 000 Euro auf fünf Millionen Euro erhöht. Einen Zusammenha­ng mit Entschädig­ungsforder­ungen von Tierbesitz­ern bestätigte Sprecher Patrick Tiede nicht. Doch die Schadenser­satzforder­ungen an den Staat dürften in die Millionen gehen. Allein ein Züchter aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförd­e, bei dem 88 Pferde beschlagna­hmt und verkauft wurden, will Medienberi­chten zufolge über eine Million Euro verlangen.

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