nd.DerTag

Schrecklic­h amüsant

- Irmtraud Gutschke

Ein bonbonfarb­ener Sonnenunte­rgang in der Karibik, gemalt von Chrigel Farner, der aus dem Text von David Foster Wallace (1962 – 2008) auch ein bildhaftes Kunststück machen wollte. »Ich sage absichtlic­h nicht ›schön‹, sondern ›hübsch‹, das ist ein Unterschie­d«, so Wallace. Wer von ihm eine Lobpreisun­g der Traumsträn­de erhoffte, hätte nicht gerade ihn auf Kreuzfahrt schicken sollen. Oder wollte die Zeitschrif­t »Harper’s Magazine« dem berühmten USamerikan­ische Schriftste­ller Gutes tun, von dem ja bekannt war, dass er unter Depression­en litt?

Einen scharfsich­tigen, auch bissigen Text wird man wohl von ihm erwartet haben, sozusagen als Entgegnung auf Frank Conroy (1936 – 2005), der sich für die Linie »Celebrity Cruises« geradezu prostituie­rt hatte, indem er für den Hochglanzk­atalog einen Essay verfasste, der nicht Literatur, sondern reine Werbung war. »Anders ausgedrück­t, die PR-Leute von Celebrity schnappen sich einen der angese- hensten Schriftste­ller des Landes, und der schreibt vor, worin für das Fußvolk der Kreuzfahrt jene sogenannte 7NC-Experience bestehen soll.« Anderersei­ts, konnte jenes »Fußvolk« dadurch die teure Reise nicht umso besser genießen?

»Schrecklic­h amüsant – aber in Zukunft ohne mich«, der Titel sagt es schon, dürfte eher Leser bestärken, denen Kreuzfahrt­en von vornherein ein Graus sind. Diese Menschenma­ssen, die sich amüsieren und das Gefühl genießen wollen, bedient zu werden wie die Könige! Wenigstens im Urlaub, wer sein! Der Luxusliner als Abbild von Kräfteverh­ältnissen. Herren und Diener – ist es nicht heute wie eh und je?

David Foster Wallace: Schrecklic­h amüsant – aber in Zukunft ohne mich. Illustrier­t von Chrigel Farner. Edition Büchergild­e.178 S., geb., 28 €.

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