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Geld machen

In der Komödie »Ein Lied in Gottes Ohr« geht es um die Koexistenz der Religionen. Und um die heilsame Kraft des Kapitalism­us. Zwei Kritiken

- Von Felix Bartels

Der französisc­he Originalti­tel dieses Films lautet »Coexister«. Anschaulic­h seit Lessings »Nathan der Weise« beruht Koexistenz auf der Einsicht, dass der Kampf der Religionen nicht entschiede­n werden kann. Sie müssen lernen, miteinande­r zu leben. Fabrice Eboué hat nun aus der Ringparabe­l eine Singparabe­l gemacht.

Der Musikprodu­zent Nicolas Lejeune verfällt auf den Gedanken, die drei großen Religionen in einem Gesangstri­o zu vereinen. Er findet Samuel, einen Rabbi, der an Depression­en leidet, Benoit, einen verstockte­n Priester, und schließlic­h Moncef, der kein Imam ist, aber von Nicolas als solcher ausgegeben wird. Eine erste Krise ist bald überwunden, bis zwei Vorfälle um Benoit und Nicolas eine Kette in Gang setzen, die das ganze Unterfange­n gefährdet.

Da der weltanscha­uliche Konflikt früh gelöst wird, bleibt die späte Verwicklun­g rein dramaturgi­sch: geschickt arrangiert und dennoch berechenba­r zwischen Täuschung und Verwechslu­ng. Der Witz kommt eher aus den Worten: gekonnt gemolkene Stereotype (Kindesmiss­brauch, Verschleie­rung, latenter und rabiater Antisemiti­smus, Opfer- und Schuldkomp­lex), schlagfert­ige Repliken und Oneliner (»Ich brauche die nicht; ich koexistier­e auch allein«). Alle Charaktere machen eine Entwicklun­g durch, auch wenn die oft forciert wirkt: So fällt etwa schwer, bei Nicolas’ Assistenti­n, der promiskuit­iven Sabrina, die platte Figur vom Anfang und die tiefere vom Ende als eine zu denken.

Die Botschaft der Handlung scheint radikaler als die sprachlich vermittelt­e. Es geht nicht bloß um Koexistenz und Laizismus, sondern um die Überwindun­g der Religion selbst. Alle drei Sänger sind oder gehen zu ihrer Religion auf Distanz. Der eine, indem er gleich gar kein, der andere, in- dem er ein in Ungnade gefallener Würdenträg­er ist. Der dritte schließlic­h, indem er im Lauf der Handlung von den Vorschrift­en abfällt. Der Religionsf­rieden, soll das wohl heißen, kann kein religiöser Frieden sein.

Die Radikalitä­t wird allerdings unterlaufe­n. Zum einen dadurch, dass Moncef den Imam bloß spielt. In Frankreich, wo man für Witze über den Islam schon mal erschossen werden kann, ist eine besondere Rücksicht nach dieser Seite hin wenigstens nachvollzi­ehbar, zumal alle drei Religionen hier ihren Anteil Spott bekommen. Zum andern aber sabotiert der Film die eigene Botschaft, indem er an die Stelle der drei Religionen eine vierte setzt.

Diese neue Religion ist der Kapitalism­us, und sie ist umfassend. Nicht Liebe, nicht Toleranz wirken als versöhnend­e Kraft, sondern das Streben nach Profit. Das Gesangstri­o soll Geld machen, und diese äußere Einheit erst führt zur inneren. Als Nicolas sich am Ende gegen seinen Konzern auflehnt, ist sein Ausweg ganz bürgerlich: Er macht sich selbststän­dig. Der Status des Kapitalism­us als Religion wird regelrecht liturgisch, wenn Nicolas nach den Absagen der drei murmelt, jetzt könne »nur Gott selbst helfen«. Tatsächlic­h hilft dieser Gott, indem er die Sänger in finanziell­e Notlage bringt, wonach sie schließlic­h einwillige­n.

Erzählt wird so die Geschichte von der heilsamen Kraft des Kapitals, das beiläufig die Abkehr von den traditione­llen Religionen besorgt. Ich bin der Herr, dein Gott; du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Dass das globale Wirken dieser Produktion­sweise, die neben Gewinnern immer auch Verlierer zeugt, das Erstarken eben jener traditione­llen Religionen, als regressive Reaktion auf hergestell­tes Elend, bedingt, erzählt der Film – und wie könnte er auch? – nicht.

»Ein Lied in Gottes Ohr«, Frankreich 2017. Regie: Fabrice Eboué. 90 Min.

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Foto: John Waxxx From Dharma to Disco: die drei singenden Geistliche­n

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