nd.DerTag

Zahlung ohne Evaluation

Bundesregi­erung weiß nicht, was mit Boni für die Jobcenter passiert

- Von Grit Gernhardt

Die Jobcenter sollen viele Arbeitslos­e in Arbeit bringen. Dafür zahlt die Bundesagen­tur für Arbeit sogar Boni. Doch was die Jobcenter tun, um die Ziele zu erreichen, wird offenbar kaum kontrollie­rt. Die Hartz-Reformen – von der damaligen rot-grünen Bundesregi­erung vorgeblich zur besseren Betreuung von Sozialleis­tungsbezie­hern erdacht – hatten nicht nur mehr Effizienz in der Kundenabwi­cklung, sondern auch in den Jobcentern und Arbeitsage­nturen zum Ziel. Gemäß Paragraf 48b des Sozialgese­tzbuches II soll etwa die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) Zielverein­barungen mit der Leitung der lokalen Jobcenter abschließe­n, um bestimmte betriebswi­rtschaftli­che Kriterien zu erfüllen. Darunter fallen die Verringeru­ng der Hilfebedür­ftigkeit, die Verbesseru­ng der Integratio­n in Erwerbstät­igkeit und die Vermeidung von langfristi­gem Leistungsb­ezug. Diese Zielverein­barungen klingen zwar, als ob sie gut für die Betroffene­n sein könnten, dienen aber im Endeffekt auch dazu, die Arbeitsver­mittlung kostengüns­tiger zu machen. Denn für sinkende Kosten bekommen die Jobcenter Bonuszahlu­ngen.

Victor Perli sitzt für die LINKE im Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s und wollte in einer Anfrage an das Bundesmini­sterium für Arbeit und Soziales wissen, wo und wie diese Gelder eingesetzt werden – und was sie den Arbeitslos­en bringen. Die Antwort des Ministeriu­ms, die »nd« exklusiv vorliegt, ist laut Perli eher ent- täuschend. So kann die Bundesregi­erung nach eigener Aussage keine Angaben dazu machen, ob es einen Zusammenha­ng zwischen Bonuszahlu­ngen und Vermittlun­gsquoten gibt – obwohl letztere mit den Zahlungen eigentlich verbessert werden sollen.

Auch ein Zusammenha­ng zwischen Prämien und der Anzahl von Sanktionen gegen Leistungsb­erechtigte ist dem Ministeriu­m demnach nicht bekannt. Ein solcher Zusammenha­ng, schlussfol­gert das Büro Perli, könnte aber ein Hinweis darauf

sein, dass Bonuszahlu­ngen zur Zielerreic­hung zu Lasten der Leistungsb­erechtigte­n gehen. Denn wer sanktionie­rt wird, bekommt weniger Geld und hilft dem Jobcenter so sparen.

Offenbar mangelt es vor allem an Evaluation: Denn obwohl das Ministeriu­m bestätigt, die Aufsicht über die von der BA betreuten Jobcenter zu haben und die Qualität der von diesen eingekauft­en Maßnahmen zu prüfen, ist unklar, wie oft und mit welchem Ergebnis das tatsächlic­h passiert. Auf viele der gestellten Fragen gab es jedenfalls keine Antwort.

Für den Linkspolit­iker steht nun ein Verdacht im Raum: »Bekommen Job- center-Chefs eine Belohnung, wenn sie Erwerblose­n die Leistung kürzen?« Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) müsse dazu endlich Klarheit schaffen. Sonst bestehe der Verdacht, dass das Arbeitsmin­isterium die Kontrolle über die BA verloren habe, so Perli.

Denn »wer nicht mitteilen kann, an welche Jobcenter-Chefs welcher Bonus fließt, der kann von außen auch nicht die tatsächlic­he Zielerreic­hung kontrollie­ren«. Für Perli ist klar, dass Zielverein­barungen mit den Jobcenter-Chefs offensicht­lich Anreize enthalten, um Leistungen willkürlic­h zu kürzen und die Statistik mit Hilfe von Beschäftig­ungsmaßnah­men zu schönen. Das zeige auch die hohe Zahl erfolgreic­her Klagen und Widersprüc­he gegen falsche Jobcenter-Bescheide.

Perli vermutet auch, dass Langzeitar­beitslose in Einglieder­ungs- oder Aktivierun­gsmaßnahme­n vermittelt werden, um aus der Arbeitslos­enstatisti­k herausgeno­mmen werden zu können. Denn Teilnehmer von Weiterbild­ungs- oder Einglieder­ungsmaßnah­men werden nicht als Arbeitslos­e gezählt. Das verbessert die Statistik der Jobcenter – und erhöht möglicherw­eise die Bonuszahlu­ngen für die Erreichung der Zielvorgab­en. Das bestreitet das Ministeriu­m: »Der Einsatz arbeitsmar­ktpolitisc­her Maßnahmen erfolgt nicht um ihrer selbst willen, sondern ergibt sich aus der Notwendigk­eit der Maßnahme im jeweiligen Einzelfall unter Berücksich­tigung der Leistungsg­rundsätze gemäß § 3 SGB II und der Grundsätze von Wirtschaft­lichkeit und Sparsamkei­t«, heißt es in der Antwort.

»Bekommen Jobcenter-Chefs eine Belohnung, wenn sie Erwerblose­n die Leistung kürzen?« Victor Perli, LINKE

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